Hallo,
es folgt die erste Hälfte der Arbeiten an den Fahrwerken.
H) Baubericht Teil 3: Fahrwerke
Zunächst mussten noch die Blindwellenscheiben angefertigt werden:
(Abb.20)
Das zweite Teil von links im Bild ist die bereits beschriebene Messing-Rändelschraube mit einem Rändeldurchmesser von 20 mm, welche als Ausgangsmaterial dient. Links daneben liegt der jeweils abzutrennende Gewinde- und Bundanteil, welcher nicht benötigt wird. Ganz rechts im Bild ist die fertig gebohrte Scheibe zu sehen. Die mittlere Bohrung hat einen etwas kleineren Durchmesser als die einzupressende 3 mm Achse. Wegen der geplanten Kraftübertragung über die Kuppelstangen ist es erforderlich, dass sie später sehr fest aufgepresst werden kann, damit sich nichts verdrehen kann. (Der exakt einzuhaltende Lochdurchmesser erfordert gerade Präzisionsreibahlen!) Links neben der Scheibe ist der in das größere Loch einzupressende Niet zu sehen, der später als Kurbelzapfen dienen soll. Auch er ist fest in die im mittleren Bildteil sichtbaren fertigen Blindwellenscheiben eingepresst. Die fertigen Blindwellenscheiben sind etwas angelaufen, weil ich den Niet zusätzlich verlötet habe. Rechts neben den fertigen Scheiben liegt zum Vergleich ein Treibrad. Auch in diesem vorgefertigten Teil ist ein hinreichend zu kleiner Durchmesser der zentralen Bohrung berücksichtigt, damit es ebenfalls sehr fest aufgepresst werden kann.
Für die nun anzufertigenden Fahrwerksplatinen hatte ich mir vorab eine sehr genaue Zeichnung mit den exakten Maßangaben gemacht. Diese Zeichnung musste eine enorme Menge von Faktoren berücksichtigen, wie nämlich Gleisoberkante, Montageort der Mittelschleifer, Radsätze, Blindwellenscheibe, Distanzbolzen zwischen den beiden Platinen, Drehzapfen, Montageort des Antriebes, Abdeckkasten der Blindwellenscheibe und nicht zuletzt bereits den Umriss und die Montage der Drehgestellverkleidung. Auch die Kuppelstange und die Aufstiegsleitern zu den Führerständen waren bereits hier zu berücksichtigen, damit am Ende alles zueinander passen konnte und die beweglichen Teile sich frei bewegen können. Ein paar Dinge habe ich bei meiner Aufzählung sicherlich noch vergessen. Die erste Kladdezeichnung hatte ich mir im Anschluss sogar noch 2:1 vergrößert (also Maßstab 1:22,5), um die geschätzt ca. 100 Maßangaben unterbringen zu können, die z.T. jedoch redundant waren. Die Zeichnung war ganz klassisch zweidimensional, es mussten aber bereits eine erhebliche Zahl von Aspekten berücksichtigt werden, die sich in der dritten Dimension abspielen. Das Erstellen einer solchen Zeichnung beansprucht natürlich sehr viel Zeit, letztlich sogar erheblich mehr als die anschließende praktische Ausführung in Blech. Es hatte sich aber absolut gelohnt, denn es passte nachher wirklich alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Später habe ich sogar von nahezu jedem folgenden Blech zuvor eine Zeichnung gemacht und muss sagen, dass das wirklich äußerst sinnvoll ist. Die zuvor investierte Zeit erspart eine spätere Mehrfachanfertigung wegen zu verwerfender Teile! Die Übertragung der zu bohrenden Löcher auf das Blech ist nicht ganz so aufwendig, wie man zunächst denkt, weil diese Übertragung nur auf eines der 4 Platinenbleche erfolgen muss. Anschließend können alle 4 Bleche exakt übereinander positioniert und sicher auf dem Kreuztisch des Bohrständers fixiert werden, womit sich dann alle 4 Bleche in einem Rutsch bohren lassen.
Im folgenden Bild sind die 4 fertig gebohrten Fahrwerksplatinen aus 1,5 mm Messingblech (alle von ihrer Außenseite fotografiert) sowie die insges. 6 Distanzbolzen (Messingvierkant mit 8 mm Kantenlänge) zu sehen. Die Vierkante hatte ich von einem längeren Stab mit einer Gehrungssäge abgetrennt. Das geht sehr schnell und liefert bereits äußerst exakt rechtwinklige Schnitte. Ledigl. die Länge des abgesägten Teiles lässt sich auf diese Weise nur auf 0,5 bis 1 mm Genauigkeit vorherbestimmen. Das Nacharbeiten auf der Drehbank war dann aber eine flotte Angelegenheit. Nun das angekündigte Bild:
(Abb.21)
Grün habe ich den Befestigungsort der Distanzbolzen markiert. Der mittlere dieser Bolzen trägt den Drehzapfen des Drehgestells. Da hier größere Kräfte einwirken können, habe ich für diesen Bolzen sicherheitshalber zwei Befestigungsschrauben vorgesehen, womit sich ein Rotationsschutz ergibt. Die kleinere M2 Schraube muss einen versenkbaren Kopf haben, die größere M3 Schraube einen Zylinderkopf, weil sich beide leicht überlappen werden. Vielleicht war die "Gürtel plus Hosenträger" Maßnahme überflüssig. Aber sicher ist sicher. In die drei größeren unmarkierten Löcher werden später die Buchsen für die Achslager eingelötet. In den drei mit einem gelben Punkt markierten Löchern wird der Abdeckkasten der Blindwellenscheibe verschraubt. Der obere dieser 3 Punkte dient zusätzlich zur Befestigung der Drehgestellverkleidung. Ansonsten wird die Drehgestellverkleidung später noch mittig an dem äußeren Distanzbolzen befestigt. Schwarz umrissen ist die Befestigung für die Aufstiegsleiter zum Führerstand. Diese Aufstiege habe ich am Drehgestell montiert, damit sie gemeinsam mit dem Drehgestell ausschwenken können. Wir erinnern uns: Das Märklin CCS-Krokodil musste u.a. auch deshalb so breit sein, damit die Drehgestelle hinreichend gegen die dort fest am Mittelteil angebrachten Leitern verschwenken konnten! Aber auch bei der E71 ist der verfügbare Platz letztlich extrem knapp, weil sich die Befestigungsschraube für die Kuppelstange am inneren Radsatz frei hinter der Leiter bewegen muss. Die beiden roten Punkte markieren zum Schluss noch die Befestigungslöcher für den Märklinantrieb. Zwischen den beiden roten Punkten ist eine etwa U-förmige Aussparung für hervorstehende Anteile des Antriebes vorgesehen. Mit Hilfe dieser Aussparung kann der Antrieb plan angebracht werden, hat also eine in jeder Hinsicht stabile Position, wozu auch die Stabilität des 1,5 mm starken Messingblechs der Platinen beiträgt. - Da rührt sich nichts, obwohl der Antrieb jeweils nur auf einer der beiden Platinen des Fahrwerks verschraubt ist!
Im folgenden Bild sind die Fahrwerke zusammengebaut:
(Abb.22)
Die Auflage für den mittleren Lokkasten befindet sich bei den unlackiert gebliebenen Abschnitten der Oberkante der Platinen (in Fahrwerksmitte). Die Platinen sind in diesem Bereich leicht verrundet, damit die Auflage nicht flächig wird.
Die Achsen von Herrn Becker (vgl. Abschnitt F) habe ich doch nicht benutzt, weil sie mir nicht stabil genug erschienen. Stattdessen habe ich mir lieber welche aus gehärtetem Stahl besorgt, weil ich verhindern wollte, dass sie sich beim sehr festen Aufpressen der Blindwellenscheiben, des Zahnrades (nur im nächsten Bild sichtbar) und der Radsätze womöglich verbiegen könnten. Wie bereits gesagt, ist das sehr feste Aufpressen erforderlich, da die Antriebskräfte von den Kuppelstangen übertragen werden sollen. Über die Replika-Radsätze auf ihren Achsen muss man vielleicht sagen: "... bis dass die Zinkpest euch scheidet ...". Aber eigentlich sehen die Radsätze wirklich sehr gut aus. Ich hoffe also auf eine sehr gute Legierungsqualität und entsprechend lange Lebensdauer.
Ich habe mir die Sache übrigens etwas zu einfach gemacht, indem ich alle drei Achsen im Drehgestell auf eine gemeinsame Höhe gebracht habe. Beim Vorbild liegt die Blindwelle nämlich 70 mm höher als die Antriebsachsen. Das wären im Modellmaßstab etwa 1,5 mm. Aber ich finde, dass das gar nicht auffällt.
Im folgenden Bild ist nun eines der beiden Fahrwerke von oben zu sehen:
(Abb.23)
Etwas unterhalb der Mitte des Bildes ist das Antriebszahnrad für die Blindwelle zu erkennen. (Es wird auf dem Bild von dem mittleren Distanzbolzen - jenem mit dem Drehzapfen - teilweise verdeckt.) Von oben sind nun auch die eingelöteten Lagerbuchsen für die Achsen zu sehen. Alle Achsen sind auf äußerst geringes axiales Spiel eingestellt. Das war sicherlich weniger wegen der geplanten Kraftübertragung via Kuppelstangen erforderlich. Vielmehr hatte ich jedoch bereits in Abschnitt F) erklärt, dass die schmale Verkleidung des Drehgestells nur mit knapper Not den äußeren Radsatz abdecken kann.
Die Distanzbolzen sind zusätzlich zu ihrer Verschraubung noch an der im Bild unteren Fahrwerksplatine verlötet. (Die obere Fahrwerksplatine wäre durch Lösen ihrer Verschraubung für eine sehr tiefgreifende Wartung demontierbar, wofür dann aber auch die Radsätze abgezogen werden müssten.) Das Konzept habe ich in etwa von Klaus übernommen, der es bereits mehrfach beschrieben hat (siehe z.B. hier). Für den mittleren Distanzbolzen bedeutet die zusätzliche Verlötung jetzt nicht nur "Gürtel plus Hosenträger" sondern noch zusätzlich irgendetwas Drittes, sagen wir "Sicherheitsnadeln". - Vielleicht habe ich wirklich etwas arg übertrieben!
Alle nachfolgend noch zu beschreibenden Bestandteile der Drehgestelle werden ledigl. an den Drehgestellen verschraubt, sind also leicht wieder demontierbar.
Im nächsten Bild sind nun die vier Abdeckbleche für die Blindwellenkästen zu sehen:
(Abb.24)
Links im Bild befindet sich eine Lötschablone, auf die ich gleich noch eingehen werde.
Hier nun die bereits zurechtgebogene Außenverkleidung neben einem der Abdeckbleche:
(Abb.25)
Im nachfolgenden Bild ist der Kasten jetzt fertig zusammengelötet:
(Abb.26)
Links im Bild kommt nun die Lötschablone zum Einsatz. Da die drei Befestigungsschrauben für den jeweiligen Abdeckkasten in einer etwas größeren Tiefe in die Fahrwerksplatine eingeschraubt werden müssen, wäre das Auffinden des Schraubloches bei der Montage eine arge Fummelei. Ich habe daher die im linken Bildteil bereits sichtbaren Messingröhrchen als Führung vorgesehen. Mit Hilfe der Lötschablone können sie nun exakt positioniert verlötet werden. Im rechten Bildteil ist ein fertiger Abdeckkasten von innen zu sehen.
Wieder so viel Text! Ihr solltet Euch bei mir beschweren, wenn das zu viel wird. Falls sich sonst kaum jemand für meinen Bericht interessieren sollte und v.a. nicht in diesem Umfange, ist es doch wenig sinnvoll, dass ich den Lehrmeistern hier irgendwelche Vorträge halte!
Viele Grüße
Thomas