Bing`s elektrische Bogenlampe für Starkstrom mit Konstruktionsstipp zur Lampenschirmanfertigung
von Rainer Riedel
Wiederholt waren in Beiträgen zu „Bing`s Starkstrombetrieb von Eisenbahnen“ im ersten Drittel des 20sten Jahrhunderts kritische Kommentare zu vernehmen, wie „unverantwortlich, sorglos, unkritisch, Spiel nur mit Gottvertrauen“, usw.
Doch nicht nur beim elektrischen Eisenbahn-Fahrbetrieb wurde die Spannung des Ortsnetzes der damaligen Zeit, 110 und 220 Volt, direkt an das Betriebsobjekt gelegt.
Etwas erschrocken über eine gewisse sorglose Unverantwortlichkeit kann man sein, wenn man die Mastlampen zur Beleuchtung einer Eisenbahnspielanlage betrachtet, die für einen 110 Volt-Betrieb bestimmt sind. So aufgefallen bei 4 Gittermastlampen, die im Verkaufskatalog von 1909 und 1912 unter der Artikel-Nr. 13852 zu finden sind und restauriert wurden.
„Elektrische Bogenlampe für Starkstrom, Ständerimitierte Eisenkonstruktion feinst lackiert, auf Holzfundament, mit Vorrichtung zum Auf- und Abwinden der Lampe, incl. Glühlampe mattiert, Kugelform, 110 Volt Spannung, mit Zwerggewinde, 47 cm hoch, per Stück Mk. 8.30.“
Vier dieser Gittermastbogenlampen
wurden überholt, Fehlteile ergänzt,
Sicherheit überprüft.
Resultat:
Kommentar dazu:
Auf einer 11 x 13 x 1 cm messenden, schellackpolierten Nussbaumholzplatte, ist ein quadratisch randprofiliertes Basisblech, gelborange farbgefasst mit aufgelötetem, blauem Gittermast, auf der einen Seite mittels 2 er Holzschrauben befestigt, auf der anderen Seite mittels zweier durchgehender Messinggewindestangen, die gleichzeitig die elektrischen Anschluss Kontakte darstellen. Die durchgehenden 3 mm Gewindestangen sind oben auf dem Basisblech mit jeweils einem profiliertem Messingzylinder mit einer gerändelten flachen Schraube auf einem Isolationsring auf der Bodenplatte fixiert, die das Anschlusskabel in einer queren Bohrung aufnehmen. Von unten ist die Gewinde - Stange mit einer 3 mm Messingmutter, in einer Vertiefung gegen das Holz verschraubt. Gleichzeitig ist dies der Beginn des weiterführenden Leitungskabels, das jeweils in einer vertieften Rinne im Holzboden nach zentral mittig lauft, um dann durch die Blechbodenplatte in das Gittermastinnere neben der Kette nach oben zu laufen. In Höhe der Isolatoren wendet sich das Kabel durch das Gitter nach außen und ist, am Isolator endend, an diesem durch Umwickelung befestigt.
Unter den Gesichtspunkten der Sicherheitskriterien sind mehrere Schwächen im Sinne von Gefahrenpotentialen zu nennen:
Als „Warn?“-Hinweis auf die Netzspannung an den blanken Klemmen ist lediglich die eingebrannte Holzprägung vor den Anschlußklemmen , „110 V“, zu finden.
Die Kabel sind ursprünglich durch ebonitisolierte Gazeummantelung geschützt, jedoch nach gut 100 Jahren ist durch den Weichmacherverlust ein abschnittsweises Zerbröseln an den Knickstellen und an den Berührungsstellen zur Kette nachweisbar.
Besonders unsichere Abschnitte werden entfernt.
Der elektrische Widerstand der Isolatorennachbildung aus Holz zum Mast erscheint ausreichend, solange das Holz trocken ist.
Hier beginnen die stoffummantelten Leitungen zum Leuchtkörper, die ebenfalls lediglich mittels Umwicklung an den Holzisolatoren die elektrische Leitung zu der Leuchtbirne übernehmen. Alle erneuert. Dieser Kontakt wird durch eine Lötzinnperle gesichert.
Der Kandelaber besteht aus einem verschraubten zweiteiligen Messinggehäuse, das innen einen eingepassten Keramikkörper beinhaltet. Dieser trägt zwei Schraubklemmen auf einer Seite zur Aufnahme der Stoffkabelenden, auf der anderen Seite die aufnehmende E14 Mignon-Gewindefassung für die Glühbirne. Die elektrische Isolierung ist durch die Keramikausführung gegeben.
An einem weiteren Beispiel verdeutlicht:
Nach Überprüfung der Spannungsfreiheit des Gittermastes und der Anlage auf Kurzschlüsse wird nach einschrauben einer Glühbirne mit E 14 Gewinde/220 Volt aus dem RIVA-Altbestand ein Beleuchtungsversuch gewagt, der unauffällig verläuft.
Persönliche Anmerkung:
Das ganze System ist eine gewagte, ja eine gefährliche Einrichtung, vor allem wegen der blanken Anschlussklemmen und der freiliegenden Kabelverbindungen an den hölzernen Isolatoren am Mast.
Im Gegensatz zu den immer wieder kritisch beurteilten Starkstrompulten zur Regulierung der Starkstrombahnen ist bei den Gittermastlampen die volle Netzspannung mit der vollen Netz-Ampereleistung abzugreifen, während, betreffend Stromstärke an der Schiene, bei den Regulierpulten immerhin ja die Kohlefadenbirnen als Widerstand vorgeschaltet sind, die Spannung zwar am Gleis wirkt, jedoch mit einer verminderten Ampereleistung wegen der vorgeschalteten Kohlefadenbirnen, sodass bei kurzer Berührung der berühmte „Schreck-Bocksprung“ stattfindet. Auch hier hat Bing die Kontaktklemmen dann später isoliert. Nun ja, das war die Technik im Kinderzimmer vor 100 Jahren, sicherlich ging Bing davon aus, dass eine Anwendung immer mit dem fürsorglichen, aufmerksamen elterlichen „Betriebspersonal“ stattfand.
Zurück zum Thema:
Bing hat diesen Sicherheitsmangel des Lampen-Systems nicht lange beibehalten, denn bereits kurze Zeit später erscheint die Gittermastausführung in einer leicht veränderten Form, die Leitungsanschlußklemmen sind nun nicht mehr blank vorliegend, sondern holzisoliert, zusätzlich erscheint das „Bing`sche Starkstromsymbol“, der Doppel-Blitz.
Trotzdem ist von einer Betriebsanwendung heutzutage dringend abzuraten.
Das neuere, „sicherere Modell“:
Holzisolierte Anschlußklemmen, nicht durch die metallische Bodenplatte geführt:
Eine der restaurierten Lampen in Erstausführung soll auch mal leuchten:
Abschließend ein Restaurationstipp für fehlende Lampenschirme:
Hierzu eignen sich die gewölbten Böden von Spraydosen.
Folgendes Verfahren wurde machbar praktiziert:
Bestimmung der benötigten Schirmgröße, hersuchen einer entsprechenden leeren Spraydose,
Druckentleerung, abschneiden des Dosenbodens vom Flaschenzylinder mit der Schere,
einspannen des so gewonnenen Bodens in das Dreibackenfutter der Drehmaschine mit der konvexen Wölbung zum Reitstock,
einspannen eines Stufenbohrers und aufbohren des Dosenbodens auf eine definierte Öffnungsweite dahingehend,
dass eine entsprechende, z. B. 10 mm Schraube, durchgesteckt und mit Gegenmutter stabilisierend verschraubt, in das Backenfutter der Drehmaschine eingespannt werden kann.
Nun die Blechrestgrate am Übergang zum verstärkten Bodenring mit dem Drehmeißel abtragen.
Nachschleifen des Bodens.
Entfernen der Schraube mit Mutter und weiteres Aufbohren mit dem Stufenbohrer auf die benötigte Weite. Abtragen scharfkantiger Grate mit Feile und Schleifpapier.
.
Entfetten und Lackieren, z.B. schwarz.
Verwendungsbeispiele:
30. 05. 2019
Gruß,
R.R.