Hallo Kollegen, ich will euch mal was erzählen ....
1985, im großen Jubiläumsjahr der Deutschen Eisenbahn machte ich mich mehrere Male auf den Weg zu diversen Veranstaltungen in Nürnberg, meist mit der Bahn.
Der Weg ist das Ziel.
Die beste Verbindung für mich war der letzte D-Zug der in Lohr am Main Station machte. Der D251 Zapadny Express (Paris-)Ffm-Nbg-Schirnding-Praha. Für die D-Züge D250/251 waren zwei Garnituren im Einsatz. Nach meiner Erinnerung eine reine DB Garnitur und eine aus SNCF und CSD Wagen.
D251.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
In Lohr stoppte der Zug gegen 9 Uhr Morgens. Mit jeder Menge Vorfreude auf den anstehenden Ausflug stieg ich, nachdem ich die Bahnsteigschranke unter Vorzeigens meiner Fahrkarte passieren durfte, vom sonnigen Bahnsteig direkt in eine andere Welt in dem in ungewohntem Grün lackierten Wagen. Ich kann nicht sagen ob es einer der SNCF war oder der CSD. Ich wußte es gibt einen Speisewagen im Zug und ich konnte ohnehin noch einen Kaffee vertragen, also arbeitete ich mich in dessen Richtung. Beim Einlaufen des Zuges, Zuglok könnte eine 110 oder 111 gewesen sein, sah einen blauen Waggon mit weißen Küchenfenstern.
240511_3651.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Ich gehe also durch Gänge klassischer Abteilwagen, teils sind die Gardinen zu, teils offen. Ich sehe die Passagiere. Auffallend viele in strenge graue Kostüme gekleidete kühle Mädels mit ebonso strenger Hornbrille, die Haare fest gebunden. Graumelierte Herren in steifen Anzügen, mit Krawatten und Manschetten. Ernste Gesichter. Mir fällt der Zuglauf ein: (Paris-)Frankfurt-Prag. Ouff, denke ich, der ganze Zug scheint voll mit Spionen und sonstigen dubiosen Gestalten (inklusive mir ?) zu sein. Wer reist schon in einem Zug über den eisernen Vorhang?
Eine weitere Erklärung der bedeckten Mienen. Der D251 wird in Frankfurt aus Teilen des D253 gebildet der bereits am Vorabend um 23 Uhr in Paris Est gestartet ist. Ein Teil dieser Fahrgäste ist also bereits seit über 10 Stunden im Zug. Bis Prag ist der Zug letztendlich knapp 20 Stunden unterwegs. 1251 km d.h. Reisegeschwindigkeit ca. 62,5 km/h. Der Zuläufer aus Paris, D253 ist bis Ffm knapp 9 Stunden unterwegs, Schnitt ca 72 km/h, Das ist gut für einen Nachtzug. Er bietet mit seiner langen Fahrzeit den Fahrgästen Gelegenheit die Nacht im Schlafwagen zu verbringen um dann zB in Frankfurt Morgens frisch ausgeruht ihren Geschäften nachzugehen. Die Weiterfahrt als Tagesschnellzug D251 wird vom Lokwechsel in Nürnberg und Grenzübertritt in Schirnding ausgebremst. Schnitt Ffm-Prag über 609 km ca 57 km/h. Eingangs erwähnte ich, daß der D250/251 das letzte Schnellzugpaar war as in Lohr Station machte. Leider habe ich mein Inlandskursbuch nicht zur Hand, im Auslandskursbuch werden nur die Fahrzeiten für Knotenbahnhöfe wieder gegeben. Jedenfalls, Lohr war damals ein Kreisstädtchen mit ca 15.000 Einwohnern. Und an einer Menge Stationen dieser Größe legte dieser Zug einen Halt ein. Scheinbar gehörte ihm alle Zeit dieser Welt.
D253.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Schließlich erreichte ich den mit glänzendem Linoleum ausgelegten und mit Kunstfurnier verkleideten Speisewagen. WR4g der CSD aus der Y-Wagengattung. Ein schöner Waggon mit einer sehr angenehmen Ausstrahlung ohne jeden Plüsch, die Fenster leicht geöffnet. Schön warm unter der hohen gewölbten Decke, der Sommer 1985 war ein guter. Schließlich kam ein gut gebauter, freundlich blickender Kellner mit seiner weißen Kellnerjacke direkt auf dem blanken Oberkörper zu mir an den Tisch und lächelte mich aus seinem leicht verschwitzen Gesicht an. Ich bestellte einen Kaffee mit Milch den er mir prompt servierte. Aber Holla! Ein Glas mit Kaffee und dazu ein Kännchen mit heißer Milch, Zucker aus der Dose mit Löffel. Ich meine das hat, wenn überhaupt, gerade mal um die 2 Mark gekostet. Ein formidables Gedeck, ich blieb die etwa 2 1/4 Stunden bis Nürnberg im Speisewagen sitzen, das mußte ich „aufsaugen“.
240511_3652.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Bei einer anderen Fahrt erwischte ich die DB Garnitur. Auch da bin ich sofort in den DSG Speisewagen gestiegen. Ich muß an dieser Stelle zugeben, daß sich Speisewagen über all die Jahre zu meinen bevorzugten Plätzen in einem Zug entwickelt haben, Bremserhäuser auf G-Wagen gibt es ja schon lange nicht mehr ;-) Auch bei der DSG bestellte ich mir einen Kaffee (wir haben nur Kännchen). Also ein Kännchen, zwei Portionspäckchen Milch, 2 Päckchen Würfelzucker, Preis grob das Doppelte wie bei der CSD. Dafür halt auch Plüschsitze und vornehmere Seitenwände. Dennoch, ein Speisewagen ist ein Speisewagen, ich mag die Menschen die dort arbeiten und habe Respekt vor ihrer Leistung. Hier hat Reisen Qualität.
Bei einer weiteren Reise nach Nürnberg wußte ich schon beim Verlassen des Hauses daß ich es nicht rechtzeitig zum D251 schaffen würde. Also bin ich, die Fahrkarte in der Hosentasche, mit dem Auto direkt nach Gemünden gebrettert um den Zug dort zu erwischen. Zumindest fast. Damals gab es noch keine Nantenbacher Kurve bzw den dortigen Abzweig auf die NBS wie er heute existiert. Dafür gab es einen Bahnübergang der gefühlt fast den ganzen Tag geschlossen war. Da stand ich nun also in der Schlange und dann kam er auch schon, der „Zapadny“, ja geil, die Tschechengarnitur! Gemünden war nun nicht mehr machbar, also Würzburg Hbf. Wahrscheinlich habe ich die ganze B27 nach Würzburg eingerußt so habe ich meinem angejahrten 220D/8 die Sporen gegeben. Irgendwo am Bahnhofsplatz in WÜ die Karre stehen gelassen und ein Sprint durch den Bahnhof auf den Bahnsteig. Am Ende der Treppe lächelt mich der Zugführer von der offenen Tür seines IC Waggons an, ich spreche ihn an „fahren Sie nach Nürnberg ?“ „Aber sicher, steigen Sie doch gerne ein!“ Ich bedanke mich, völlig abgehetzt, aber als ich mich beim Einsteigen umdrehe sehe ich IHN am selben Bahnsteig. Mir quillt es aus dem Mund „Das ist doch der Zapadny ! Der fährt auch nach Nürnberg“ „ Ja“ sagt der DB Mann, aber wir sind schneller dort und unser Zug ist sehr modern“. Ich bedanke mich, steige wieder aus und sage „gerne ein ander Mal wieder, aber ich MUSS mit diesem Zug fahren“. Er grinst verwundert und ich besteige direkt den blauen Speisewagen um mir von meinem (mittlerweile) Freund ein schönes Kaffeegedeck servieren zu lassen.
Im übrigen lag der Gegenzug perfekt in Abendlage um nach einem enorm schönen Tag in Nürnberg bequem nach Hause zu reisen. Wenn es gut lief wieder im Czechenspeisewagen bei einem echten Budweiser für'n Appl & n'Ei die Lichter der Nacht vorüber ziehen zu lassen.
D250.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Sentimentaler Scheiß, haha ...
Ich bin dankbar für all die guten Momente wie diese!
grüsse klaus