Hallo,
zum Frankfurter Blechbahnstammtisch im Juni 2016 brachte Robert, schön im Rucksack verpackt, aus Italien ein Bauteil der Hochbahn von Carette mit. Als ich das Stück sah, sagte ich spontan "Das ist ja ein Gleis von Kraus-Fandor". "Nein, das ist ein Carette-Gleis". Seltsam, das Gleis sah identisch aus wie eines von Kraus.
Der Durchbruch kam von Wolfgang (wolko), der beim Durchsuchen seiner Alt-Gleise-Kisten nach BUB-Gleisen in Spur 1 auf zwei verrostete und stark verbogene elektrische Gleise in Spur 0 von Carette stieß. Die bekam ich von ihm, und ich machte mich dran, diese wieder zum Strahlen zu bringen.
Zuerst wurden die Schwellen gerichtet und die Schienen grob gerade gebogen. Danach habe ich etwas Öl in die Schienen eingeträufelt und mit einem Stahlstab die Schienen gerichtet. Die Schiene selber wurde mit einer umgebauten Zange festgehalten. Dann habe ich den Draht vorsichtig so in die Schiene geschlagen, dass sich der Schienenkopf richtete. Manchmal musste ich von oben mit dem Hammer korrigierend eingreifen und auch mit den Fingern entsprechend nachbiegen. Das klappte ganz gut.
So, nun hatte ich also zwei wieder schöne Stücke von Carette und damit die Möglichkeit, diese Gleise mit denen von Kraus zu vergleichen.
Hier das eingeschlagene Gebrauchsmuster für die Stromschiene
Die Befestigung der Schiene an der Schwelle ist hier gewölbt.
Das gerade Gleis hat eine Länge von 27,7 cm, das entspricht in etwa 11 inch und damit der damals üblichen Gleislänge in England. Die Schienenhöhe beträgt 11 mm und die Schwellen sind schräg.
Im nächsten Bild sehen wir zwei verschiedene Blechfederbügel, unten die alte mit dem Zapfen an der Rundung und oben ohne diesen Zapfen mit einem durchgehend länglichen Bogen.
Die Schienenverbindungsstücke sind gedreht und aufwändig hergestellt.
Nun habe ich alles mit ganz frühen Kraus-Fandor-Gleisen verglichen und festgestellt: Absolut identisch bis auf das in den Carette-Schwellen eingeschlagene "DRGM" (Deutsches Reich Gebrauchsmuster).
Alles identisch, die Länge 27,7 cm, die Schienen, die Schwellen, die Stifte, die Blechfederklammern. Es gibt aber ein Unterscheidungsmerkmal: Kraus-Fandor hat, von den ganz frühen Anfängen mal abgesehen, die Gleise nur mit einer Blechfederklammer ausgestattet, während es bei den Carettegleisen immer an beiden Enden eine solche Verbindungsklammer gibt. Nur eine Klammer hatte den Vorteil, nicht nur kostengünstiger zu sein, sondern die Schienen ließen sich leichter zusammenstecken und vor allem leichter trennen.
Wie ist das möglich ? Man kann erst einmal nur vermuten. Fest steht, dass Carette diese Gleisverbindung mit der Blechfederklammer schon in seinem Nachtragskatalog von 1905 gezeigt hat. Josef Kraus hat seine Firma aber erst 1910 gegründet und im gleichen Jahr diese Gleisverbindung zum Patent angemeldet. Hat Kraus auf diese Blechfederklammer schon vorher einen Gebrauchsmusterschutz gehabt, den Carette in Lizenz verwendete ? Das könnte so sein im Hinblick darauf, dass Kraus für seine Eisenbahnen auf von Carette gefertigten Gleisen laufen ließ. Und wir werden nachfolgend sehen, dass diese Schienen mit diesen alten 11-inch-Maßen bis in die Mitte der 20-er Jahre anscheinend irgendwie und irgendwo von Carette weiter gefertigt wurden, obwohl die Firma Carette & Co. bereits 1917 vom Deutschen Reich liquidiert wurde.
Interessant ist, wie die Gleise von Kraus später verändert wurden. In den Katalogen sieht man vor 1930 Gleise, jetzt aber in einer Länge von 26 cm, mit Buckel-Schwellen und einer Verbindung mit der alten Blechfederklammer mit dem Zapfen, wie im Bild oben gezeigt. Weiter scheint in dieser Zeit versuchsweise diese Blechfederklammer durch eine aus Federstahldraht gefertigtem Drahtfederklammer ersetzt worden zu sein. Dazu wurden die Schienenenden jeweils mit einem kleinen Loch und einem schmaleren Rechteckschlitz versehen. Solche Drahtfederklammern zeige ich im Bereich der Brücke.
In den Kraus-Katalogabbildungen bis 1931 sieht man nun die Gleise mit Buckelschwellen und der neueren Blechfederklammer mit durchgehenden länglichem Bogen. Ab 1932 wird in den Katalogen keine Gleisverbindung gezeigt, und ab 1935 gibt es die Drahtklammer, deren Ende einmal innerhalb der Schwelle als auch außerhalb der Schwelle liegt. Beide Ausführungen taugen nichts.
Ich versuche nun mal, die verschiedenen Arten von Gleisen von Carette und Kraus-Fandor, die ich habe, aufzulisten. Da gibt es sicherlich Ungenauigkeiten, die ich zu berichtigen bitte. Und es kann bei der Menge auch langweilig werden, aber so sind diese verschiedenen Produkte erst einmal aufgelistet, und man kann dann später immer wieder einmal nachsehen und vergleichen. Zuerst einmal alles von Spur 0. Bei einigen Gleisen von Kraus sind fehlende Schienenverbindungsstifte durch solche von Märklin ersetzt worden.
Die Gleise von Carette und Kraus
Carette, Spur 0, Uhrwerk, Schwellen schräg, Schwellenklammer flach, Schienenstuhl glatt, ältere Blechfederklammer mit Zapfen, Schienenhöhe 11 mm, Länge 27,7 cm = 11 inch, Schienenverbindungsstift gedreht
Gebrauchsmuster
Befstigung der Schiene an der Schwelle, hier flach
Kraus-Fandor, Spur 0, Uhrwerk, Schwellen schräg, Schwellenklammer flach, Schienenstuhl glatt, ältere Blechfederklammer mit Zapfen, hier mit der frühen Ausführung mit zwei Blechbügelfedern, Schienenhöhe 11 mm, Länge des Gleises 27,7 cm, Schienenverbindungsstift gedreht
Das gleiche Gleis von Kraus, aber hier nur mit einer Blechfederklammer.
Zwischendurch ein Blick in Spur 1 wegen der Drahtfederklammern. Diese Klammern aus Federstahl halten die Gleise wirksam fest. Es war also eine gute Erfindung.
Kraus mit neuen Buckel-Schwellen. Ab jetzt sind die Gleise 26 cm lang. Auf dem nachfolgenden Bild sieht man unten ein Gleis ohne Schienenklammern (wohl für den Billigsektor hergestellt) und oben für die Drahtfederklammer; diese aber fehlt hier.
Hier die Löcher für die fehlende Drahtbügelklammer
senkrechte Stabilisierungsrippen, eingestanzt "Germany" und 3-Finger-Schienenklammer
Die neue Buckel-Schwelle
Kraus-Fandor, Spur 0, elektrisch, Buckelschwellen, 3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neuere Blechfederklammer durchgehend gebogen, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
3-Finger-Befestigung der Schiene, senkrechte Stabilisierungsrippen
Kraus-Fandor, Spur 0, elektrisch, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue Drahtklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Prägestempel "JKCo"
Der Drahtbügel außen. Egal, ob der Drahtbügel innen montiert worden ist oder außen, beides ist Schrott und funktioniert sehr schlecht.
Kraus-Fandor, Spur 0, Uhrwerk, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue Drahtklammer ähnlich wie früher bei Märklin, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Prägestempel "JKCo", Stempel auf der Buckelschwelle mehr rechtsseitig, Drahtbügel innen
Kraus-Fandor, Spur 0, Uhrwerk, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue Drahtklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Prägestempel "JKCo", Stempel auf der Buckelschwelle mittig, mit Nachrüstung E-Strang (etwas verschoben)
Jetzt kommen die runden Schienen:
Carette und Kraus
Carette, Spur 0, Uhrwerk, 6-er-Kreis, Schwellen schräg, Schwellenklammer flach, Schienenstuhl glatt, zwei ältere Blechfederklammern mit Zapfen, Schienenhöhe 11 mm, Schienenverbindungsstift gedreht
Gebrauchsmuster-Einprägung
Kraus-Fandor, Spur 0, Uhrwerk, 8-er-Kreis, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue Blechfederklammer mit länglicher Biegung, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
Kraus-Fandor, Spur 0, elektrisch, 8-er-Kreis, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, Blechfederklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
Kraus-Fandor, Spur 0, elektrisch, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, Außenschiene ohne Rippen, ohne Klammereinrichtung, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Prägestempel "JKCo"
Kraus-Fandor, Hybrid: Außenschiene länger
Kraus-Fandor, Spur 0, 12-er Kreis, elektrisch, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue Drahtklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Prägestempel "JKCo"
Hier die Weiche für Spur 0 aus den 30-er Jahren. Entweder in den USA bei DORFAN hergestellt oder aus Teilen von DORFAN gebaut.
Jetzt kommt die Spur 1
Carette und Kraus
Carette, Blechfederklammern fehlen, gedrehte Schienenverbindungsstifte, schräge Schwellen, Schienenhöhe 11 mm, Schienenstuhl glatt. Die Löcher an den äußeren Schwellen wurden später reingebohrt.
die gebogenen Schienenklammern
Kraus-Fandor, Spur 1, elektrisch, 3 Drahtstifte auf einer Seite, Exportausführung nach iwo, wo es noch solche Schienenverbindungen gab, Buckelschwellen, 3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl glatt, neue Drahtklammer, Schienenhöhe 9-10 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Drahtfederklammer fehlt.
eingeprägt "Germany"
Kraus-Fandor, Spur 1, Uhrwerk, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue länglich gebogene Blechfederklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
Eine absolute Rarität. Ganz zum Schluss der Fertigung der Spur 1 hat Kraus wegen der Trittfestigkeit Gleise mit vier Schwellen gebaut.
Jetzt kommt die Spur 1 mit runden Gleisen
Carette und Kraus
Carette Uhrwerk, 8-er Kreis, aber etwas kürzer wie normal, die Löcher wurden später gebohrt, schräge Schwellen, gedrehte Schienenstifte, Blechfederklammern fehlen, Schienenklammern rund, Schienenstuhl glatt, Schienenhöhe 11 mm.
Kraus-Fandor, Spur 1, 8-er Kreis, elektrisch, 3 Drahtstifte auf einer Seite, Buckelschwellen, 3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung, Drahtfederklammer fehlt.
Kraus-Fandor, Spur 1, Uhrwerk, 12-er Kreis, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue länglich gebogene Blechfederklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
Kraus-Fandor, Spur 1, Uhrwerk, 12-er Kreis, aber hier eine halbe Schiene, Buckelschwellen,3-Finger-Schwellenklammer, Schienenstuhl senkrecht gerippt, neue länglich gebogene Blechfederklammer, Schienenhöhe 9 mm, Schienenverbindungsstift wie Nagelausführung
Und hier noch eine Weiche für Spur 1, die auch alle Anzeichen aufweist, dass sie nach amerikanischen Vorgaben von DORFAN gebaut wurde oder aus Teilen von DORFAN errichtet wurde.
Ich vermute, dass Carette nach der Auflösung seiner Firma mit alten Werkzeugen weitergemacht hat und zumindest die Gleise mit den 11 mm hohen Schienen und glattem Schienenstuhl für Kraus produziert hat. Schließlich war die Auflösung seiner Firma durch das Deutsche Reich rechtswidrig; vllt hat er ja in England bei Bassett-Lowke weitergemacht.
So, das war's. Vllt kann der eine oder andere User diesen Beitrag noch ergänzen.
Schönen Gruß
Udo