Hallo, mein Nachbar hat eine Bing Uhrwerklok erworben. Sie fährt zwar, aber viel zu schnell. Ein Check des Uhrwerks hat ergeben, dass es einen Fliehkraftregler gibt. Er hängt aber sozusagen in der Luft, er ist weder an die Zahnräder der Federwelle, des Zwischenrades oder der Antriebsachse gekoppelt. Auf der Platine sind keine weiteren Bohrlöcher, also ist auch keine weitere Welle mit einem Zahnrad verbaut gewesen. Es gibt aber ein seltsames Teil, eine Art Hebel, das auf dem Verbindungsbolzen der Platinen sitzt, aber keine Funktion hat. Irgend etwas fehlt da, aber was? Kennt jemand diese Uhrwerke? Gab es ein Zwischenzahnrad, das mit diesem Hebel zum Eingriff gebracht werden konnte?
Hallo Karl, wie bei fast allen geregelten Uhrwerkantriebe sind auch im vorliegenden Beispiel deutlich die Bauteile zu erkennen, die bei entsprechender Drehzahl in einer einseitig offenen Trommel rotieren. Durch den dabei entstehenden Reibungswiderstand wird die Geschwindigkeit gedrosselt und die Gefahr, dass die mit Uhrwerk angetriebenen Fahrzeuge aus der Schiene zu springen, deutlich reduziert. Die Fliehkraftregler befinden sich im Regelfall am Ende des Antriebsstrangs sowie auch die zusätzliche Verstelleinrichtung, die wie eine Bremse wirkt. Zum besseren Verständnis werde ich morgen einige Bilder zum besprochenen Fliehkraftregler mit zusätzlich wirkender Bremse in einer Bing Spur 0 Lokomotive einstellen.
Hallo Achim, vielen Dank für Deine Antwort. Du scheinst Dich ja gut mit den Dingern auszukennen. Wie der Fliehkraftregler funktioniert, ist mir schon klar. Bei langsamer Fahrt liegen die kleinen "Bremsbacken" eng beieinander, die Feder hält sie sozusagen zusammen. Wenn sich die Drehzahl erhöht, wird die Feder aufgedrückt und die "Bremsbacken" drücken von innen auf die Trommel, es ist eigentlich dann eine klassische Trommelbremse wie bei alten Autos (eigentlich eine einfache, aber geniale Lösung). Bei der Lok meines Nachbarn hängt diese Fliehkraftbremse in der Luft. Ein Teil scheint verloren gegangen zu sein. Die Zahnradwelle des Fliehkraftreglers ist aber an einer Stelle schon abgenutzt, also ein Zahnrad, das nicht mehr da ist, muss im Eingriff gewesen sein. Bin mal gespannt, ob wir das Rätsel aufgrund Deiner Bilder lösen können.
Herzliche Grüße aus dem Südschwarzwald, wo es mal wieder heftig schneit Karl
Hallo! Hier ein paar Schnappschüsse von zwei baugleichen Loks. Ich denke, das grosse Scheibenzahnrad auf Bild 8 li.fehlt. Gruß aus Oberfranken, wo es auch wieder schneit und ich jetzt zum Schneeräumen gehe.
Nun noch die Patentschrift, aus der die Anordnung der Zahnräder entnommen werden kann.
[Der fragliche Hebel wirkt auf die Achse der "FliehkraftGewichte" und wird von Hand über eine Stange im Führerhaus und durch einen zapfenförmigen Hebel in Höhe der Schienen zum Anhalten des Motors ausgelöst. Auf Bild 1 rechts erkennbar.
ich bin immer wieder hin und weg, welche kompetenten Informationen man hier im Forum bekommen kann. Ich danke Dir recht herzlich für die vielen Aufnahmen, die Du eingestellt hast, dazu sogar noch die Patentschrift! Mir ist jetzt auch klar, warum ich keine Bohrungen in der Platine für ein zusätzliches Zahnrad gefunden habe. Das Zahnrad sitzt auf der Achse bzw. auf einer Hülse, die über die Achse gestreift ist. Jetzt kommt natürlich noch die Frage aller Fragen: Wo kann man so ein Zahnrad bekommen? Ich bin leider kein Bing-Spezialist.
Herzliche Grüße an alle forschenden Blechbahner ;-) Karl
Schön, dass geholfen werden konnte! Das erste Hemmungsregler Bing-Patent für Uhrwerke von 1901/1903 ist in diesem Beitrag zu finden: Vorstellung 2er Spur I Bing-Uhrwerklokomotiven Leider noch ein Wehrmutstropfen: Ein Zahnrad dieser Art wird nicht zu finden sein. Vielleich läuft einem mal ein schrottiges Uhrwerk oder eine Defektlok über den Weg. Ehr wohl nicht. Zahnräder herzustellen ist sehr aufwendig, machen die Sammler in den seltensten Fällen selber. Diesen Problemfall mal einem "Schwarzwälder Uhrmacher" vorstellen. Grüße aus Bayern, R.R.
Der Kollege, der dieses Problem hat, siehe oben, richtet Grüße aus dem Schwarzwald aus. "Herzliche Grüße aus dem Südschwarzwald, wo es mal wieder heftig schneit. Karl"
Bild 4: Das letzte Bild zeigt die "Bremse", die mittels Zugstange von rechts gegen die Scheibe bis zur vollständigen Blockade gedrückt werden kann. Die Funktionen "Geschwindigkeitregulierung" und "Arretierung des Antriebs" liegen dabei auf der gleichen Achswelle. Leider täuscht die Abbildung einen relativ großen Spalt zwischen der leicht konisch ausgeführten Hakennase der Zugstange und der Anlaufscheibe vor. In Wirklichkeit streift das Hebelgestänge sofort am äußeren Umfang der Scheibe.
Hallo Achim, danke für die Übersicht der verschiedenen Hersteller-Lösungen und die Fotos. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Hersteller gab, die sich darüber Gedanken machten. Ich habe selbst in den 50ern mit einer einfachen Märklin-Uhrwerklok gespielt. Aus Nostalgie habe ich mir später nochmal eine ähnliche Lok gekauft, weil meine ursprüngliche Lok "verschollen" war. Aber ich glaube, diese einfachen Loks hatten keinen Fliehkraftregler. Trotzdem schaue ich jetzt mal nach. Ich habe übrigens mal Dein Avatar nachgeschaut und gesehen, dass Du auch nach Schwäbisch Gmünd gehst. Bist Du dieses Jahr auch dabei? Ich halte dort einen Vortrag über Elettren-Tinplate-Schnellzugwagen. Kannst Dich, falls Du hingehst, ja mal "outen", dann können wir uns die Hand schütteln und uns ein wenig austauschen.
Ups, da habe ich mich aber getäuscht. Natürlich hat meine Märklin-Lok einen Fliehkraftregler! Aber hier gilt auch wieder mal der Spruch "Man sieht nur, was man weiß". Dank Eurer Hilfe bin ich jetzt wissend und suche bei jeder Uhrwerklok, die ich zukünftig in die Hand bekomme, erst einmal den Fliehkraftregler ;-)
Bild 4: Das letzte Bild zeigt die "Bremse", die mittels Zugstange von rechts gegen die Scheibe bis zur vollständigen Blockade gedrückt werden kann. Die Funktionen "Geschwindigkeitregulierung" und "Arretierung des Antriebs" liegen dabei auf der gleichen Achswelle. Leider täuscht die Abbildung einen relativ großen Spalt zwischen der leicht konisch ausgeführten Hakennase der Zugstange und der Anlaufscheibe vor. In Wirklichkeit streift das Hebelgestänge sofort am äußeren Umfang der Scheibe.
Grüße Achim
Guten Abend Herr Kollege! Bild 1, bitte Angabe der zitierten Literaturstelle, oder selbst verfasst? Ist doch z.Zt. wieder aktuell!
Zitat von ElwoodJayBlues im Beitrag #7Wieso muß der Uhrmacher denn aus dem Schwarzwald sein?
Nachtrag. Ich beziehe meine zahnradsbezogenen, präzisionsmechanischen Infos aus "Die Uhrmacherlehre" von Julius Hanke, verlegt von der Uhrmacher-Woche (Leipziger Uhrmacherzeitung) Wilhelm Diebener, Leipzig 1920, hier "Die Schwarzwälder Uhr", Seite 41 ff. Gruß, R.R.
Zitat von ElwoodJayBlues im Beitrag #7Wieso muß der Uhrmacher denn aus dem Schwarzwald sein?
Nachtrag. Ich beziehe meine zahnradsbezogenen, präzisionsmechanischen Infos aus "Die Uhrmacherlehre" von Julius Hanke, verlegt von der Uhrmacher-Woche (Leipziger Uhrmacherzeitung) Wilhelm Diebener, Leipzig 1920, hier "Die Schwarzwälder Uhr", Seite 41 ff. Gruß, R.R.
Das steht bei mir auch in der Werkstatt... zusammen mit vielen anderen.
Gruß,
Felix
"Das Land steckt in einer Krise, Johnny!" "Wir latschen von einer Krise in die nächste..."
ZitatGuten Abend Herr Kollege! Bild 1, bitte Angabe der zitierten Literaturstelle, oder selbst verfasst? Ist doch z.Zt. wieder aktuell!
Ich bin zwar nicht der Beitrags-Einsteller, aber die Tafel stammt aus dem Buch: Becher, U., Reiche, W. (1981): "Bodenläufer Spielbahn Supermodell - So funktionieren die alten Modellbahnen", Düsseldorf 1981, S. 117 (Lizenzausgabe, das Originalbuch stammt wohl aus der früheren DDR).