Hallo,
noch einen Hinweis zu dem Satz von Klaus "Kraus-Fandor gehörte ja auch eher in das Billig- oder auch Kaufhaus-Segment":
Josef Kraus hat seine Nürnberger Firma 1910 gegründet. Der hauptsächliche Zweck seines Unternehmens war der Export von Spielzeug-Eisenbahnen in die USA. Bedingt durch die extrem seltene automatische Engelflügel- oder Flügelfallenkupplung, die nur 1910 oder noch etwas danach hergestellt wurde und von der automatischen Kastenfallenkupplung abgelöst wurde, kann man erkennen, dass schon 1910 Kraus-Produkte auf dem USA-Markt waren.
Es gab von Kraus für den Export in die USA einerseits wunderbar schön lithografierte Waggons ähnlich wie Ives sie dort auf den Markt brachte, wobei man nicht sicher sein kann, wer von wem abgekupfert hatte, als auch einfach und preiswert gestaltete sogenannte Kaufhausware, die von Hunderten von Vertretern über die Vielzahl der in den USA vorhandenen Warenhäusern an den Mann bzw. das Kind gebracht wurde.
Durch den 1. Weltkrieg bedingt brach der Export in die USA zusammen, so dass sich Kraus und seine Mitinhaber, darunter die Gebr. Forchheimer, gezwungen sahen, ihre Ware auf dem deutschen Markt anzubieten. Um konkurrenzfähig zu sein, wurde in Mengen auch einfache und preiswerte Ware, so wie in den USA, über Vertreter an die zahlreichen Spielwarenhändler, die ihr Hauptgeschäft als Friseure, Konditoren, Elektrohändler, Drogisten usw. hatten, verkauft. Die beiden Forchheimer verließen 1923 Deutschland und gründeten in Newark in der Jackson Street erst einen Großhandel für Spielzeug-Eisenbahnen von Kraus, um von da aus den amerikanischen Markt zu beliefern, stellten aber in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur John C. Koerber (früher bei BING und nachfolgend bei Kraus beschäftigt) eigene Eisenbahn-Produkte für den amerikanischen Markt her, wobei sie manche von Kraus als Halbzeuge bezogene Ware komplettierten und mit dem DORFAN-Etikett versahen.
Kraus-FANDOR selber war jetzt auf beiden Märkten, also Deutschland und den USA, in etwa gleich stark vertreten. Durch die in den USA einsetzende "Great Depression" ließ der Verkauf in den USA doch stark nach, und Kraus vergrößerte seinen Absatz durch noch mehr Handel in Deutschland und den benachbarten Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden. Aber auch Großbritannien, Italien und Belgien gehörten zu seinen neuen Absatzgebieten.
Um sich einmal eine Vorstellung über die große Anzahl der Vertreter zu machen, möchte ich hier ein Beispiel aus dem Bereich der Herstellung von Bierglasuntersetzer anführen. Die Firma Marienthal aus Mauer an der Bober (Schlesien) hatte um 1930 weltweit etwa 3500 Vertreter, die bei regelmäßigen Besuchen den Brauereien ihre neuesten Produkte aus dem Bereich der Bierglasuntersetzer zeigten. Nun boten diese Vertreter auch anderes Material an, das Brauereien immer wieder benötigten, aber die Zahl zeigt doch, wie gewaltig die Zahl der Vertreter war. Nicht anders waren das im Bereich der Spielzeuge. Vertreter vertraten eine Vielzahl von Spielwaren-Fabriken, wobei allerdings darauf geachtet wurde, kein Konkurrenzprodukt zusätzlich zu empfehlen. Ein aktuell bekanntes Beispiel für so einen Vertreter aus früherer Zeit ist der "Kiepenkerl", der in Münster als Denkmal vor der Gaststätte "Großer Kiepenkerl", ausgestattet mit Schiebermütze, Pfeife, Leinenkittel, Holzschuhen und eben der Kiepe steht und auch als Spielzeugvertreter unterwegs war.
Man konnte von Kraus also sowohl preiswerte Kaufhausbahnen in den einschlägigen Geschäften erwerben als auch bei besser sortierten Händlern die teurer angebotenen Anfangspackungen mit den größer ausfallenden und damit auch schwereren Eisenbahn-Zügen in Spur 0 (und später auch noch Spur 1). Die einfache und preiswerte Ausführung von Kraus war beispielsweise so gestaltet, dass bei den Loks das Triebwerk nicht festgeschraubt, sondern verlascht war mit dem Ergebnis, dass mehrfaches Öffnen oft zum Bruch der Befestigungslasche führte.
Bei den Uhrwerk-Lokomotiven von Kraus ist mir allerdings aufgefallen, dass die Aufzugsfedern nie gebrochen waren (zumindestens bei mir nicht) und nur ganz selten eine bedeutende Minderung der Laufleistung aufwiesen. Das spricht eigentlich für die Uhrwerke von Kraus. Meiner Erinnerung nach hatte ich erst einmal ein Problem mit einem Uhrwerk von Kraus, und zwar mit der 2 B - Lok in Spur 1, bei der am Hauptzahnrad hintereinander drei Zähne weggebrochen waren, vermutlich durch extrem hartes Auziehen mit einem Handkurbelschlüssel. Diese Zähne wurden mit Schwalbenschwanzfräsung durch eine Uhrmacherin wieder eingesetzt. Nichts mehr von der Reparatur zu entdecken trotz genauem Hinsehen, und der Lauf ist einwandfrei.
Ich will damit sagen, dass es darauf ankommt, in welchem Preis-Bereich so eine Eisenbahn verkauft wurde. Dem entsprechend kann es Jahrzente später zu Problemen am Triebwerk kommen. Das ist bei Kraus so und kann bei anderen Herstellen ebenso sein.
Schönen Gruß
Udo