eine friedliche Adventszeit wünscht das Forum alte Modellbahnen

Ur-uralt, Bing???

#1 von riera , 29.09.2013 14:52

Der ernsthafte Sammler ist bemüht, Stücke des Herstellers seines Fachgebietes aus der Frühzeit
seiner favorisierten Firma zu erwerben, sind diese einfach wegen der verstrichenen Zeit, nicht häufig zu finden und gerade deshalb sehr begehrt, zu anderen vermitteln sie einen Einblick in die Fertigungstechniken und nicht zuletzt üben sie, gerade wegen des Alters, eine besondere Anziehungskraft aus.
Da Schrift- und Katalogmaterial über uralte Modelleisenbahnen kaum bekannt, bzw. verfügbar ist, gibt es häufig Unsicherheiten bei der Zuordnung des jeweiligen "uralten Stückes" zum Hersteller.
Dies soll an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden.

Flüssig-Spiritus beheizter, dampfbetriebener Bodenläuferzug, um 1895







Der abgebildete Zug konnte im Schweizer BERN 1983 bei einem Antiquitätenhändler erworben werden. In dem Karton befand sich auch die originale Betriebsanleitung, die vom Papierzustand kaum lesbar war.





Dieses Papier wurde von Jeannine dit-Quartier, ehemals Claude Jeanmaire, bearbeitet und in ihrem Buch „Gebrüder Bing, Spielwaaren 1898“, auf den Seiten 275-277, jetzt in schwarz-weiss gut lesbar, ( Dank dafür), wiedergegeben.
Vom Eigentümer wurde der Zug wegen des unansehnlichen Zustandes, ( Lackverlust, Rostflächen, ein fehlender Puffer frontal, gelöste Lötverbindungen, fehlende Kupplungsteile, usw.) in der Farbgebung der noch definierbaren Farbreste neu gefasst. Der fehlende Tender wurde rekonstruiert, nachdem eine Bildvorlage dieser Zuggattung in dem Buch „Blechspielzeug Dampfspielzeug, Battenberg Sammlerkatalog“, Seite 270 gefunden wurde.
Beschreibung:
Es handelt sich um einen dampfbetriebenen, flüssigspiritusbeheizen Bodenläuferzug in der Spurweite 64 mm mit Antrieb durch 2 oszillierende Zylinder. Kesseldurchmesser 52 mm. Zuglänge: 50 cm. Die Räder der Lok sind ausgestanzt und bestehen aus 1,5 mm starkem Messingblech, haben keine Spurkränze, sind so für den nicht schienengebundenen Bodenfahrbetrieb konzipiert. Raddurchmesser hinten: 53 mm, vorn 48 mm, sodass dadurch diskret ein angedeuteter „Stochenbeineindruck“ entsteht. Die Zinngussräder des Wagens und des Tenders haben jeweils 6 Speichen und einen Durchmesser von 37 mm, sind ebenfalls ohne Spurkranz ausgeführt. Im Führerhaus der Lokomotive ist links ein Stellhebel montiert, mit dem über einen Stangenmechanismus die vordere Achse radial um maximal 10 Grad verstellt werden kann. Hebelstellung vorn: Geradeausfahrt, Hebelstellung in drei Einrastungen nach rückwärts geführt: Achse dreht nach rechts um maximal 10 Grad, um so die Fahrt im Kreis rechts herum zu bewirken. Eine Linksfahrt ist nicht einstellbar, nicht möglich. Die Rauchkammertür ziert das Bing-Bavaria-Emblem in großer, ovaler, älterer Ausführung ohne Sternkranz. (Längsdurchmesser: 31 mm, quer: 20 mm)













So, nach Sichtung der verfügbaren Literatur fängt nun die Unsicherheit an, ob Bing tatsächlich der Hersteller dieses Bodenläufers war.
Reder stellt in seinem Buch: Mit Uhrwerk, Dampf und Strom auf Seite 27 in Abbildung 37 unter „Dampfbahnen Alt-Nürnberger Stiles" einen schienengebundenen Zug vor, den er auf Grund des Erscheinungsbildes und der technischen Ausführung Bing zuordnet, sogar mit dem Hinweis, Zitat: dass „Bing diese schienengebundene Lokomotive auch als Bodenläufer baute, wobei durch einen seitlich am vorderen Kesselende angebrachten senkrechten Hebel die Vorderachse für verschiedene Bogenhalbmesser eingestellt werden kann“.



Dies Bild ist fast identisch mit dem auf dem Uraltprospekt, der im Karton des erworbenen Zuges lag.


Diese Indizien sprechen für eine Bing-Produktion.
Nun wird aber dieser Zug, bzw. die Lokomotive als Bodenläuferausführung im Battenbergkatalog,(Blechspielzeug Dampfspielzeug von Wolfgang Kaiser u. Carlernst Becker, ISBN3-87045-214-5, 1983, Battenbergverlag München) auf S. 270 in Abb. 367 Schoenner zugeschrieben.



In dem Heft Puppenmagazin "Puppen & Spielzeug" Heft 2, 1983, ISSN 0722-2408, wird auf dem Titelblatt just eben diese Bodenläuferlokomotive abgebildet mit der Beschreibung "Titelbild: Frühe Spiritus-Dampflokomotive (Bodenläufer), um 1885, Lutz Ellwangen, für Bing. Ungemarkt".
(Nota bene: Lutz Ellwangen!)
Eine nachvollziehbare Begründung für diese entschiedene Zuordnung wird nicht gegeben.



Einen kompletten Zug der diskutierten Ausführung mit Spurkranzrädern bot H.-D.- Lankes 2009 auf seiner 106ten Auktion unter der Katalog Nummer: 6255, Objektnummer: 229925 an.

(Mit freundlicher Genehmigung des Auktionhauses Lankes/Hof-Döhlau.)














Nachdem auf der zu Beginn des Beitrags vorgestellten Lokomotive das frühe Bing-Bavaria Signum vorhanden ist und auf der von H.-D. Lankes, Döhlau, angebotenen Lok nicht die Bing Bavaria aufgelötet ist, sondern bei genauer Betrachtung es sich bei diesem Logo um das Firmenzeichen der Spielzeugfirma Georges Carette (G.C.& Co) handelt,
(Paul Klein Schiphorst weist auf S.300 in seinem wunderbaren Bildband "Die goldenen Jahre der Blechspielzeugeisenbahnen 1850-1909", AS-Verlag Zürich 2002, ISBN 3-905111-81-0 das Carette-Logo nach, das identisch ist zu dem auf den folgenden Fotos der Lok des auktionierten Zuges abgebildeten),









liegt es nahe, spekulativ davon auszugehen, dass sich die frühen Nürnberger Tinplate-Firmen bei der Herstellung der "Handelswaren" gegenseitig insofern unterstützend halfen, als bestimmte Produkte bei einer Firma in Serie hergestellt wurden, um dann in Sinne von "Kompensationsgeschäften" untereinander ausgetauscht zu werden, wobei dann für den Handel und Weitervertrieb das jeweilige Firmenlogo der vertreibenden Firma aufgebracht wurde. Dafür spricht weiterhin die nachweisbare, enge Beziehung der Firmen Carette und Bing zueinander.
Bleibt übrig, Gustav Reder zuzustimmen: Es handelt sich um "Dampfbahnen Alt-Nürnberger Stiles".

Um den Informationsgehalt dieses Beitrages etwas zu heben, folgt eine Übersicht der unterschiedlich Messing-geprägten frühen Bing-Bavariae-Logos, (die stehende Bavaria mit Schild, Sockel und bayerischem Löwen) wie diese auf den frühen Spielzeugen aufgelötet, von ca. 1895 bis 1902, nachweisbar sind, wobei die Ausführung mit "Made in Germany"-Schriftzug die zuletzt verwendete Ausführung gewesen sein dürfte.

















Abschließend eine Information des offiziellen Münchner Stadtportals bei "münchen.de" unter "Ruhmeshalle mit Bavaria":
Zitat:
"Die Bavaria gilt als Symbolgestalt und weltliche Patronin Bayerns. Somit gibt es in der Kunstgeschichte viele Darstellungen der kämpferischen Frauenfigur. Die riesige Statue an der Theresienwiese ist jedoch die bekannteste. Sie wurde zwischen 1843 und 1850 im Auftrag Ludwigs I. errichtet. Besondere Beachtung wurde damals dem Bronzeguss geschenkt, da dieses Projekt als technische Meisterleistung galt. Die Statue wurde vom Münchner Künstler Ludwig Schwanthaler, nach dem das angrenzende Stadtviertel Schwanthalerhöhe benannt ist, entworfen."
Schön ist es feststellen zu können, dass die Bayerische Patronin bis zum heutigen Tag Ihrer symbolisch "beschützenden Verantwortung" gegenüber den von der Fa. Gebr. Bing Nbg. gefertigten Produkten nachkommt.


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RE: Ur-uralt, Bing???

#2 von Blech , 30.09.2013 08:46

Riera,
ja, diese (Bodenläufer-)Lok steht auch bei mir seit Jahrzehnten -und die Zuordnung ist mir immer noch unklar.
Ich tippe auf Carette, mit eigener Produktion vor Bing. Denn Carette hatte -wie von dir geschrieben- gute Verbindungen zu Bing.
Und diese Bindung vermisse ich bei Schoenner.
Aber sicher? Nein.
Mit Wolf Kaiser habe ich übrigens darüber lange diskutiert -ergebnisoffen.
Schöne Grüße aus Hessen
Blech


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RE: Ur-uralt, Bing???

#3 von riera , 30.09.2013 12:12

Hallo Blech!
Dank für die Zeilen.
Das sehe ich genauso. Nur Lutz passt da nicht so recht rein.
Denke, dass wir das Becker zu verdanken haben. So wie ich ihn kannte, hat er viel aus dem Bauch heraus Lutz zugeordnet. Naja, ist auch schon wieder Geschichte.
Stell doch mal ein Bildchen von Deiner Maschine ein, das belebt das Forum etwas und ist konstruktiv für den Gedankenaustausch. Regt vielleicht noch einen weiteren Besitzer eines solchen Fossils an, sich zu beteiligen, denn es geht nur um die Sache.
Hat Deine auch den Stellhebel im Führerhaus?, Spurkränze?, Kessel mit oder ohne Firmenlogo?, Farbgebung?, usw.
Dank und Grüße,
R.R.


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RE: Ur-uralt, Bing???

#4 von Blech , 30.09.2013 12:18

Lieber R.R.-
meine Lok entspricht technisch der Titelabbildung bei Puppen & Spielzeug.
Grün lackiert mit roten Zierlinien.
Gestanzte Bodenläufer-Flachräder ohne Kranz.
Radialstellung durch Hebel vorn am Umlauf.
Ohne Plakette an der Kesselfront.
Carlernst Baecker kannte meine Lok und deren Geschichte, auch meine Meinung dazu: Bing oder Carette.
Wieso also bringst du nun CEB mit Lutz und P&S in Verbindung? Carlernst hatte nichts mit P&S zu tun. Da ist mein verstorbener Freund CEB frei von Tadel. Er hat sehr viel geleistet in Sachen Blechbahn-Geschichtsforschung!
Schöne Grüße aus Hessen
Blech


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RE: Ur-uralt, Bing???

#5 von Fritz Erckens , 30.09.2013 12:43

Hallo Riera und Botho,

hatte im Forum schon mal über eine Carette Bodenläufer Lok geschrieben. Hier nochmals Fotos von der original erhaltenen und im Holzkasten verpackten 1-A-2 Lok mit Kuhfänger.(Schornstein und Kuhfänger abnehmbar!)

Gruss v. F.E.














 
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RE: Ur-uralt, Bing???

#6 von Blech , 30.09.2013 12:49

Fritze,
in der Tat gibts da doch etliche Ähnlichkeiten in den Details.
Also bleiben wir mal bei Carette als Hersteller der kleinen Lok.
Schöne Grüße ins Printenland -bald gehts los (auch kurz eingetaucht in Cognac oder Rotwein...)
Botho


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RE: Ur-uralt, Bing???

#7 von riera , 30.09.2013 13:11

Hallo!
Nichts liegt mir ferner, als CEB zu verunglimpfen, Gott hab ihn selig.
CEB hat sich um die Blechspielzeugforschung verdient gemacht.
Deine Konstuktionsausführung dürfte der bei Reder beschriebenen Ausführung entsprechen.( ...seitlich am vorderen Kesselende angebrachten senkrechten Hebel...).
Denke mal, dass die Ausführung beim Lankes-Angebot einen originalen, unberührten Zustand zeigt. Hier ist die Farbgebung ebenfalls grün gehalten.
Das Carette-Logo ist letztlich nur ein Kriterium dafür, dass die Maschine die Firmengebäude von Carette durchlaufen haben könnte, bzw. von diesem vertrieben wurde.
Für mich noch erstaunlich, dass der Stellhebel bei der Carette-gezeichneten Ausführung der meiner Bing-gezeichneten entspricht, wobei die meinige Ausführung im Ursprungszustand blau war, entspricht der neuen Farbfassung, und auf den Führerhauswänden ein schwarzer zerfetzter Papierstreifen mit 1800 aufgebracht war.
Es unterscheiden sich noch die Kaminausführung, die Drahtbügelgriffstangen am Führerhaus und die frontalen Puffer.
JdQ. berichtete mal, dass sie auch einen solchen Bodenläufer von Bing besitze.
Ich glaube, mit diesen Fakten wird die Sache etwas lichter, wobei die nun bekannt gewordenen 3 Modelle einen interessanten Einblick in die Frühzeit der Nürnberger Modellbahnfertigung vermitteln.
Ich gebe mich damit zufrieden.
Grüße aus Bayern,
R.R.


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RE: Ur-uralt, Bing???

#8 von riera , 30.09.2013 13:32

Der Beitrag von FE hat sich mit meinen letzten Zeilen überschnitten.
Es ist erstaunlich, dass auch bei dem abgebildeten Modell von FE der Stellhebel im Führerhaus links identisch zu dem bei Lankes angebotenen Modell mit dem Carette-Firmenschildchen ist.
Unsicher wird man nun, da die Ausführung mit dem Führerhausstellhebel auch bei der Bing-gezeichneten Ausführung vorliegt.
Eigentlich kann hier nur spekuliert werden wer, wann und warum die technische Änderungen bei der Herstellung dieser Lokomotiven eingeleitet und umgesetzt hat.
Werten wir es doch Kompromiss mässig als Gemeinschaftsproduktion der frühen Zusammenarbeit von Bing und Carette der 1890/95er Jahre.
Beste Grüße und Dank für die Beteiligung,
R.R.


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RE: Ur-uralt, Bing???

#9 von Fritz Erckens , 30.09.2013 14:49

Hier das Deckelbild und die Artikel-Nummer dieser Carette-Bodenläuferlok.

Oben links ist eine ähnliche Lok zu erkennen....

Im Buch v.Claude Jeanmaire " Nürnberger Spielzeug " Archiv Nr. 100 Abb.324 und 325 wird diese Lok aus der Ward Kimball Sammlung gezeigt.

" Die Scheibenräder dürften nachträglich eingebaut worden sein " schreibt der Autor, was natürlich nicht stimmt. Im Original hatten die frühen US-Loks solche Scheibenräder......

Auf Abb. 328/329 werden 4 Kuhfänger-Loks gezeigt und alle SCHOENNER zugeordnet. Stimmt auch nicht.

Es ist anzunehmen, daß unter den Firmen BING - CARETTE - SCHOENNER ein Austausch einzelner Modelle für das eigene Programm stattfand. Auch dürften Kuhfänger-Lokomotiven für den Amerika-Markt in Europa nicht so häufig gekauft worden zu sein, wodurch diese Stücke heute hier seltener zu finden sind.

Gruss von F.E.


 
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RE: Ur-uralt, Bing???

#10 von riera , 30.09.2013 17:42

Zitat von Fritz Erckens im Beitrag #9
Hier das Deckelbild und die Artikel-Nummer dieser Carette-Bodenläuferlok.

Oben links ist eine ähnliche Lok zu erkennen....

Im Buch v.Claude Jeanmaire " Nürnberger Spielzeug " Archiv Nr. 100 Abb.324 und 325 wird diese Lok aus der Ward Kimball Sammlung gezeigt.

" Die Scheibenräder dürften nachträglich eingebaut worden sein " schreibt der Autor, was natürlich nicht stimmt. Im Original hatten die frühen US-Loks solche Scheibenräder......

Auf Abb. 328/329 werden 4 Kuhfänger-Loks gezeigt und alle SCHOENNER zugeordnet. Stimmt auch nicht.

Es ist anzunehmen, daß unter den Firmen BING - CARETTE - SCHOENNER ein Austausch einzelner Modelle für das eigene Programm stattfand. Auch dürften Kuhfänger-Lokomotiven für den Amerika-Markt in Europa nicht so häufig gekauft worden zu sein, wodurch diese Stücke heute hier seltener zu finden sind.

Gruss von F.E.

Hallo F.E.
Schließe mich dieser Deutung an.
Dank für die Bereicherung der Diskussion mit dem beeindruckenden Deckelbild des Carette-Holzschubers für die Top-Carette-Rarität.
Hier wird (links oben) dokumentiert, dass Carette zumindest mit so einem Bodenläufermodell , wie das diskutierte, zwar mit Kuhfänger, aber egal, auf sich und sein Produkt hinweist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach allem Vorgetragenen die Bodenläuferlok mit der Bing-Bavaria der Nürnberger Fertigung entstammt, dass als ein wesentliches Kriterium der Einbeziehung von Carette die Stellhebelausführung im Führerhaus für die Einstellung der Vorderachse zu werten ist, konnte diese technische Ausführung doch nun an Hand von 2 Carette-gemarkten Stücken gezeigt werden.
Subjektiv meinend empfinde ich, dass bei dem blauen Bodenläufer, sollte er von Bing gefertigt worden sein, hier die Stellhebeleinrichtung von Carette übernommen wurde, da sich der Bing zugeschriebene senkrechte Hebel (Reder, Blech) vorn rechts am Kessel nicht wirklichkeitsnah darstellte und Bedienungselemente einfach ins Führerhaus gehören um vom Maschinisten, Meister, bedient zu werden.
Letztlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Bing von Carette noch zu montierende Teile oder vollständige "Rohlinge" annahm und mit eigener Farbgebung und Bavariafirmenzeichen versehen, in so bearbeiteter Form unter eigenem Namen weitervertrieb. Auch eine primäre Fertigung durch Bing in Abstimmung mit Carette ist nicht auszuschließen.
Der Einfluss von Lutz Ellwangen, produziert für Bing, ist nicht nachzuweisen.
Ich danke für den bereichernden, informativen Bildbeitrag und den Hinweis auf SCHÖNNER von F.E. sowie den Kommentar von Blech.
Einige weiterführende Literatur:
- Als die Züge fahren lernten, aus den Kindertagen der Modellbahn, Udo Becher, alba-Buchverlag Düsseldorf,
- Spielzeug und Modell-Eisenbahn, Pierce Carlson, Verlag Laterna magica.
- Blechspielzeug Eisenbahnen, Carlernst J. Becker und Botho G. Wagner, Battenberg Sammlerkataloge, Battenberg Verlag München
Gruß,
R.R.










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Noch eine Nürnbergerin

#11 von caepsele , 01.10.2013 09:23

Hallo Zusammen,

traue mich ja fast nicht hier meine zugelaufene Unbekannte neben solchen Raritäten einzustellen - aber wenn nun gerade die Kompetenzen dabei sind...



Führerhaus wurde neu lackiert, der Tender stammt aus einer Grabbelkiste. Die Lok ist zum Spielen, daher bitte um Verzeihung! Aber es ist einfach zu nett wenn so eine Lok mit den kurzen 8 cm Wägelchen schnaufenden, hüpfend und scheppernd über die Gleise jagt.

In den vorgenannten Literaturen wird sie ebenfalls nicht eindeutig zuordenbar genannt, aber wohl als nicht so selten. Ist nicht ganz so alt, da keine Wagenkupplung an der Lok sondern eine Blechhakentenderkupplung . Keine Spitze Rauchkammertür scheint aber wiederum auf den Exportmarkt oder Vor-Windschneiderzeit hinzudeuten. Mir wurde sie als Bing verkauft.

Weiß Jemand mehr?

Grüße aus Monnem
Harry


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#12 von kablech , 01.10.2013 11:25

Hallo Harry,

guckst Du mal hier:



Das Bild stammt aus dem in Post #9 erwähnten Buch von Claude Jeanmaire "Nürnberger Spielzeug Jean Schoenners Spielzeugbahnen und Schiffe Archiv Nr. 100", Abbildung 357. Der Schornstein stimmt zwar nicht mit Deiner Lok überein, aber das kann ja einer der Vorbesitzer mal geändert haben.

Herzliche Grüße aus dem Südschwarzwald
Karl


Viele Grüße aus dem Südschwarzwald


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#13 von Fritz Erckens , 01.10.2013 11:32

Hallo Harry,

wieso schreibst du : ......"traue mich ja fast nicht meine zugelaufene Unbekannte neben solchen Raritäten einzustellen..."




Wer so eine hübsche und uralte Dampflok sein Eigen nennt, gehört doch in diesen Fred ! Diese 1-A in der Spur 0 wurde von BING Anfang 1900 hergestellt.
Mit 6 Speichen Antriebsrädern ist dieses Exemplar in jedem Fall ein frühes Modell der Spur 0 Storchbein-Loks und heutzutage seltener als die Spur I Storchbeine.
Zuvor wurde die Rauchkammertüre von BING mit dem uns bekannten BING Ovalemblem versehen. Der spätere aber auch originale Schornstein mit Halskrause wurde wahrscheinlich irgendwann mal gegen den abhandenen originalen Trichter-Schornstein ersetzt. In jedem Fall ist deine Lok in Funktion immer ein Hingucker!
Die Tender zu den Storchbeinen konnten einzeln zur Lok gekauft werden, weil sich die 8 cm-Wägelchen auch ohne Tender an der Lok ankuppeln lassen.

Ich wünsche dir viel Freude mit dieser in jedem Fall historischen BING Dampflok!

Viele Grüsse von F.E.




 
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RE: Noch eine Nürnbergerin

#14 von Blech , 01.10.2013 11:40

Guten Tag, Fritz Printenbaron-
da gibst du ja wieder ein Rätsel auf:
Du schreibst lustig von einer Bing-Lok, die uns Harry zeigt.
Und Karl zeigt dazu ein Foto aus Claudes Schoenner-Buch...
Wer war es denn nun?
Schoenner als Produzent und (auch) bei Bing verkauft -oder was?
Ja, ich weiß, das mit den Nürnbergern ist nicht einfach. Da hat jeder mit jedem Geschäfte gemacht.
Schöne Grüße ins Printenland
Botho


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#15 von kablech , 01.10.2013 12:40

Storchenbeine und kein Ende......

Als erstes mal eine gesicherte Quelle, der Nachdruck eines Bing-Kataloges von 1909, zu finden in Claude Jeanmaire "Gebrüder Bing im Jugendstil" Archiv Nr. 124, Seiten 68 und 69. Allerdings sind das keine Fotos, der Künstler kann auch die Wirklichkeit etwas unrealistisch wiedergegeben haben.

Die erste Lok von Bing hat ein durchgehendes Umlaufblech und kein separates Abdeckblech für das Treibrad, wie es Harrys Lok hat. Außerdem ist das Führerhaus anders. Der Dampfdom ist niedriger. Die Aufhängung des Zylinders ist anders. Das Treibrad hat 8 Speichen.



Die zweite Lok von Bing hat eine geschlossene Treibrad-Abdeckung und das Führerhaus unterscheidet sich auch von Harrys Lok. Auch hier der Zylinder weiter oben angebracht.



Dann zitieren wir doch mal Botho aus den Battenberg Sammler-Katalogen "Blechspielzeug Eisenbahnen" von Carlernst Baecker und Botho G. Wagner. Hier findet man auf der Seite 96 folgendes Bild: (Die Lok wird Schoenner zugeordnet)



Dann aber machen wir die Verwirrung komplett mit einem Bild aus Clive Lamming "Historische Modelleisenbahnen 1850-1950" Seite 38. Er ordnet die Lok Issmayer zu. Bitte den Kamin dazudenken, der fehlt auf dem Bild. Der Dampfdom hat eine andere Form als bei Harrys Lok, zudem gehen 2 Dampfleitungen vom Dom zum Zylinder. Dagegen ist das Führerhaus identisch, auch die Aufhängung des Zylinders und das 6-speichige Treibrad findet sich wieder. Auch die Abdeckung des Treibrades ist identisch mit Harrys Lok.



Was jetzt?

Es grüßt der etwas ratlose
Karl


Viele Grüße aus dem Südschwarzwald


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#16 von riera , 01.10.2013 13:55

Guten Tag!
Erlaube mir, mich zu Wort zu melden.
Stimme Blech zu, Bing ist nur schwer begründbar,
wobei das Modell den Nürnberger Stil repräsentiert.
Das beinhaltet dass häufig gleiche Erscheinungsbild der hergestellten Maschinchen von den dort ansässig tätigen Firmen, wobei bekannt ist, dass einige Firmen untereinander Fertigungsteile austauschten.
Sehr häufig wird von Händlern der charakteristische Nürnberger Stil, vor allem bei der Familie der Storchenbeinausführungen, Bing zugeordnet, weil Bing halt jedem geläufig ist.
Bing hat aber eigentlich immer ein Firmenzeichen auf den Modellen hinterlassen, bei fehlendem Logo ist zumindest in der Regel ein "Restspur" zu finden.
Es ist nun die Aufgabe eines Gutachters Feinunterschiede bei dem genannten Modell zu den anderen Modellen anderer Produzenten durch Abgleich der Charakteristika herauszuarbeiten.
(Gesamterscheinungsbild, Kaminausführung, Puffer, Kupplungen, Räder, Brenner mit Tank, Lackierung, Ornamente usw.)
Mein Eindruck ist, dass es sich bei dem Modell von caepsele um eine Schönner-Fertigung handelt.
Das identische Modell bis auf den Kamin und die vorderen Puffer ist zu finden im Bildanhang des Buches "Die Anderen Nürnberger", Band 4, S 1858 unten und ist Schönner zugeordnet.
Ich glaube, es ist das gleiche Modell wie es bei Claude Jeanmaire`s "Nürnberger Spielzeug Jean Schoenners Spielzeugbahnen und Schiffe Archiv Nr. 100" aufgeführt ist.
Aber eine Restunsicherheit ist immer vorhanden.
Nichts für Ungut,
wünsche weiterhin viel Freude und Spaß mit dem lebendigen Nürnberger Storchenbein!
Verbleibe mit 2 Storchenbein-Grüßen, leider nur in I,



R.R.
PS: Was ist denn ein Printenbaron?
Kann damit Garnichts anfangen. (Druckbranche?), oder hat F.E. irgendwo Prints hinterlassen?
Aber dazu passt der Hinweis auf den Aloholgenuss nicht.
Noch ein Literaturhinweis:
Historische Spirituslokomotive, Rüdiger Gröning, Holmenberg-Verlag, Münster


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#17 von Blech , 01.10.2013 14:30

RR -das lass dir mal ganz genau vom Fritz erklären -es ist sein heimliches Metier.
Das mal vor ab:
Printen sind eine Aachener Spezialiät, eine besondere Art Lebkuchen. Zur Weihnachtszeit sehr begehrt.
Und dann mein, beziehungweise Elaphos (ex FAM)Tip: Vor dem Genuss eintauchen in Cognac oder Rotwein...frohes Fest!
Schöne Grüße aus dem Ebbelwoi-Land Hessen (deutsch: Apfelwein)
Botho


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#18 von riera , 01.10.2013 14:39

Danke, wieder was dazugelernt!
Nach Most und Mostbowlengenuss im schwäbischen Tübingen während des Studiums und Export und Pilsgenuss

nach Dienstschluss in Kulmbach
verbirgt sich ja hinter diesem Rezept etwas regional sehr exotisches.
Mahlzeit und zum Wohl,
R.R.


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#19 von kablech , 01.10.2013 14:40

Hallo,
hier als mein vorläufig letzter Beitrag zu diesem Thema: Auch Schiffmann zeigt in seinem "Sammlerkatalog Band 10" das folgende Foto. Er ordnet die Lok auch Schoenner zu.



Gruß
Karl


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#20 von caepsele , 01.10.2013 16:10

Ohh, da hat sich doch einiges nun geklärt! Ein Danke in die Runde!

@ Karl: Ach schau an, der Tender! Bis auf die Reling identisch! Das nenn ich mal einen Glücksgriff in der Grabbelkiste... Wobei der aufmerksame Betrachter ein unterschiedliches Design der Bemalung der Lok feststellt, zumal der Tender Litho und die Lok bepinselt ist. Was sich so über die lange Zeit trennt und findet?! Wenn die kleinen Feuerteufelchen uns was aus ihrem Leben erzählen könnten...

Eine Befestigung für den Flammschutz konnte ich aber an meiner nirgends finden.

Gruß
Harry


 
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RE: Noch eine Nürnbergerin

#21 von Blech , 01.10.2013 16:17

Harry, der Flammschutz war wohl nicht obligatorisch. Eher wahlweise.
Ich kenne solche Loks (und auch andere) mit und ohne.
Auch damals wurde um Pfennige von den Einkäufern gefeilscht. Um einen niedrigeren Preis zu ermöglichen, hat man auch mal was weggelassen...eben wie heute.
Schöne Grüße aus Hessen
Botho


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RE: Noch eine Nürnbergerin

#22 von Fritz Erckens , 01.10.2013 16:43

Zitat von Blech im Beitrag #14
Schoenner als Produzent und (auch) bei Bing verkauft -oder was?



Lieber Botho Blech, kann auch umgekehrt gewesen sein.



Zitat
Ja, ich weiß, das mit den Nürnbergern ist nicht einfach. Da hat jeder mit jedem Geschäfte gemacht.




...bis jetzt weiß niemand, wer von oder mit wem damals gemaggelt hat.....Ein Austausch fand allemal statt. Auch wenn ich laut Onkel Blech "lustig" BING als Hersteller nannte, werde ich ab jetzt SCHOENNER akzeptieren.


...nichts Schlechtes über C.Jeanmaire, aber auch er hat lediglich aus den alten Katalogen der Firmen recherschiert und konnte demnach nicht herausfinden, wie umfangreich die Verbindungen zwischen BING - CARETTE - SCHOENNER - FALK gewesen sein könnten.....



Eigentlich sollte es bis zur Aufklärung des Rätsels egal sein, wer nun letztendlich der entsprechende Hersteller gewesen ist. Einigen wir uns jetzt auf SCHOENNER !!Hauptsache, diese Gattung der ersten Spielzeug-Spiritus-Dampfloks haben bis heute überlebt und bereiten uns viel Freude!

und hier für die Leser, die meinen früheren Bericht über das Stück nicht gelesen haben, eine uralte Kraftlok Spur 1 , die Freund Gustav Reder ebenfalls SCHOENNER zuordnet. Siehe S.32 Abb A 57 in "Mit Uhrw.D.+Stróm"

Weiterhin viel Spass an den uralten Spielzeugloks wünscht F.E. alias Printenbaron aus Aachen, der Printenstadt Karls des Grossen!





 
Fritz Erckens
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RE: Noch eine Nürnbergerin

#23 von riera , 01.10.2013 17:02

Dank für das weise, harmonisierende Schlusswort.
Grüße,
R.R.


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RE: Ur-uralt, Bing???

#24 von riera , 07.10.2013 19:53

Zitat von Fritz Erckens im Beitrag #9
Hier das Deckelbild und die Artikel-Nummer dieser Carette-Bodenläuferlok.

Oben links ist eine ähnliche Lok zu erkennen....

Im Buch v.Claude Jeanmaire " Nürnberger Spielzeug " Archiv Nr. 100 Abb.324 und 325 wird diese Lok aus der Ward Kimball Sammlung gezeigt.

" Die Scheibenräder dürften nachträglich eingebaut worden sein " schreibt der Autor, was natürlich nicht stimmt. Im Original hatten die frühen US-Loks solche Scheibenräder......

Auf Abb. 328/329 werden 4 Kuhfänger-Loks gezeigt und alle SCHOENNER zugeordnet. Stimmt auch nicht.

Es ist anzunehmen, daß unter den Firmen BING - CARETTE - SCHOENNER ein Austausch einzelner Modelle für das eigene Programm stattfand. Auch dürften Kuhfänger-Lokomotiven für den Amerika-Markt in Europa nicht so häufig gekauft worden zu sein, wodurch diese Stücke heute hier seltener zu finden sind.

Gruss von F.E.
Guten Abend!
Eine Frage noch:
Ist bei dieser Carette-Lok mit dem Hebel im Führerhaus auch nur die Rechtskurvenfahrt einstellbar, oder auch links kurvig, oder alternativ nur geradeaus. Interessant auch die Mechanik auf die Achse wirkend, die Verschiebung der Achse links im ovalen Achslager bei starrer Führung rechts.
Danke für Antwort









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