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OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#1 von riera , 09.02.2013 18:08

Was liegt näher als bei diesem kalten Schmuddelwetter eine Restaurationsarbeit durchzuziehen, die man vor sich herschiebt. Möchte diesen Beitrag auch mit Dank an Eugen & Karl richten, der das Märklin-Signal, das ich nicht einordnen konnte, definierte. „Es gehört zu den Neuheiten des Jahres 1904. Im Hauptkatalog "H 4" ist es dann auf den Seiten 72 mit der Artikelnummer "2010/1" zu finden. Im Mai 1909 ändert sich die Nummer in "2360/1". Danke für die Hilfe!
Im Folgenden geht es um eine Bing-Spur I Storchenbein Spirituslokomotive, die auf den ersten Blick der Nr.: 9642, Bing-Katalog 1898,


nicht zuletzt auch wegen des Bing-Bavaria Firmenlogos aus dieser Zeit

auf der Rauchkammertür, zugeordnet werden kann.







Unangenehm die Fehlteile, als da abhanden gekommen sind: Abdampfröhrchen rechts zum Kamin sowie der Kamin selbst, Pfeife, Führerhausdach und Spiritustank mit Brennereinrichtung.

In der Katalogbeschreibung ist der Bing- patentierte Cylinder „Perfekt“ (D.R.P. No.:94623) aufgeführt.





Nach Überprüfung dieser patentierten Ausführung am Objekt ist aber festzustellen, dass hier ein Nachfolgepatent umgesetzt worden ist, nämlich






Dieses ist auch Vorraussetzung dafür, dass die patentierte, "gesetzlich geschützte automatische Vor- und Rückwärtssteuerung" erfolgen kann, die das Maschinchen aufweist.







Auf dem Radkasten rechts haben Spiritusflammenspuren, noch erkennbar, die goldbroncefarbenen Lettern "AUTOM. UM" belassen,

und links den Hinweis auf die Umsteuerung,... "N D E R u." und..."STEUERUNG 2 D.R.G.M." soweit erahnbar.

Nun dann, frisch ans Werk!
Zerlegung, Reinigung und Angriff, die Fehlteile zu ergänzen.
Stabilisierung des bröseligen Lackes im Führerhaus.
Zunächst Rekonstruktion des Führerhausdaches, um die durch das Fehlen und die erforderliche Remontage bedingte Instabilität auszugleichen, einschließlich einer rechts fehlenden STützungsstrebe. Einlöten derselben.
Kaminsockel aus Altteilen aus der Depotkiste.
Zurechtbiegen des fehlenden 3 mm Messing-Abdampfröhrchens zum Kamin hin, mehrere Versuche, da das frei von Hand erfolgen muss und Knickstellen einfach manchmal, trotz Feinfühligkeit, so mal schnell auftreten können, zu Freude des Biegenden. Dann ist das nämlich zu wiederholen. Letztlich hat`s geklappt.
Einlöten desselben.
Kaminrekonstruktion auf der Drehbank nach Festlegung der Masse und dem Vorbild aus dem Katalog.
Reparatur der Pfeife.
Nun Zerlegung des Fahrwerkes.







Erfreulicherweise zeigt sich, dass alles noch original ist, da jedes Teil mit Schlagzahl 32 gekennzeichnet ist.
Hier stellt sich als sehr schwierig die Rekonstruktion einer fehlenden Stiftschraube dar, die als Achsverbindung des Umschaltgestänges die U-förmige Gabel des Umschalthebens am Zylinder bewegt und wobei der Gewindeabschnitt in der Gabelbohrung ausgeleiert ist. Also Gewinde nachschneiden auf 3 mm, schade, und Anfertigen der Stiftschraube auf der Drehbank mit 2mm Stift als Achse und 3mm Gewindeabschnitt zum Schraubenkopf hin. Mechanik funktioniert nun wieder.
Zusammenbau und Probelauf mit Pressluft. Ist okay, jedoch Rückwärtslauf unbefriedigend. Wird auf später verschoben.
Konstruktion des Tankes. Dazu Aufrisszeichnung auf zurechtgeschnittenem Blech und ausschneiden desselben mit einbringen der Öffnung für den 4-flammigen Brennerarm.
Zurechtbiegen der inzidierten Tankblechabschnitte über Biegehölzchen und Zusammenlötung einschließlich des Spirituseinfüllstutzens mit 6 mm Gewindeverschluss nach Anlegen der entsprechenden Bohrung. Anlegen einer 1,5mm messenden Bohrung zur "Tankbelüftung".
Fertigung des Brennerarmes mit den Dochtträgern. (Tipp für Bastler: Das Blech nach Planmaß zurechtschneiden und dann um einen Zimmermannsbleistift wickeln, denn der hat nahezu die erforderliche Form). Resektion der überlappenden Abschnitte und längs zusammenlöten. Anfertigen der Dochtträger, ist ätzend, da so schmal. Fräsen der Schlitze für die Dochtträger in den Brennerarm mit einlöten der Dochtträger. Zurechtschneiden der Dochte und einbringen derselben. Spirituseinfüllen und anzünden. Alles flammt regelrecht.
Schwarzlackierung des Kamines und des Führerhausdaches. Nach Durchtrocknung abkleben des rot zu lackierenden Linienquadrates in der Mitte des Führerhausdaches mit Eintupfen der Farbe und sofortigem abziehen der Klebestreifen im Richtung des Farbstriches, denn andernfalls entstehen Farbfäden, die sich auf der schwarzen Fläche niederschlagen. Abkleben des Außenrandes des Führerhausblechdaches und Lackierung mit Silberbronce nach Vorbild.
Brechen des Hochglanzeffektes der Dachlackierung. Und nun mal Pause.
Rätsel. Was fehlt noch?
(Fehlteilfertigung verschiebe ich auf später.)
Abschließend die Bing-Märklin-Harmonie um 1900 in Spur I:
Märklin signalisiert Bing "Fahrt".














Für die Spiritusbetreiber einige Betriebsanweisungen aus dieser Zeit:












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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#2 von pete , 09.02.2013 21:50

Faszinierend!

Danke für den Bericht,
Peter


rot geschrieben=Adminaussage,grün geschrieben=Moderatorenhinweis,ansonsten Usermeinung ...

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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#3 von caepsele , 10.02.2013 23:35

Sehr reizend!

Würde mich mal interessieren wie der Zug sich verhält, wenn die Lok bei voller Fahrt umgesteuert wird...
Zumal die Bing'sche Kupplung leider kein Schiebebetrieb zulässt.

Die Flachschiebersteuerungen sind sehr gut! Probleme mit Wasserschlag gibt's nicht, da der Schieber einfach abhebt. Leider wohl zu teuer in der Produktion, da später nur noch Rundschieber verwendet wurde.

Übrigens: die Röhrchen lassen sich knickfrei biegen, wenn man Vogelsand einfüllt und beidseitig zupropft (Zündhölzchen reicht).

Gruß
Harry


 
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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#4 von matri28at ( gelöscht ) , 11.02.2013 15:23

Hallo
Zizat von Riera
" Nach Durchtrocknung abkleben des rot zu lackierenden Linienquadrates in der Mitte des Führerhausdaches mit Eintupfen der Farbe und sofortigem abziehen der Klebestreifen im Richtung des Farbstriches, denn andernfalls entstehen Farbfäden, die sich auf der schwarzen Fläche niederschlagen"
Um das etwas einfacher zu machen würde ich das unten abgebildete Gerät verwenden(Feder)
wenn es gewünscht wird kann ich auch noch ein Photo einstellen wo ein wirklich aufwändige Linierung mit dieser Feder von mir hergestellt wurde

Lg Richard


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#5 von Scrat , 11.02.2013 16:40

Moin Richard,

klar wird es gewünscht.
Lass mal sehen, wie Du das machst.

Viele grüße

Holger

PS: Hab demnächst auch einiges zu "linieren"


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#6 von matri28at ( gelöscht ) , 11.02.2013 16:56

Hallo
@Holger
Die abgebildete Brücke war eine Auftragsarbeit und eine echte Herausforderung
speziell die Linien auf dem runden Mittelteil


Lg Richard


matri28at

RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#7 von riera , 11.02.2013 17:52

Respekt und Chapeau vor dem gelungenen Ergebnis!
Ich trau mich nicht mit der "Reissfeder", da ich Bedenken habe, dass eine m,echanische Arrodierung des Grundlackes autreten kann, wenn dieser noch nicht "beinhart" ist, oder, dass beim Abfahren am Lineal oder einer anderen Führungsschiene doch die Krähenfüsse erscheinen.
Übrigens wurde ich beraten, dass Autolackierereien bei Verzierungen immer dünne Tapes
für Zierlinien verwenden. Z.B. 3M Vinyl Tape471+ 06404.
Dank für die Hinweisgabe, werd`s mal versuchen.
Grüße,
R.R.


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#8 von riera , 11.02.2013 18:12

Hallo Caepsele,
Dank für den Sand-Hinweistipp, das war schon immer mein Problem bei der Formgebung der Röhrchen.
Man macht das einfach zu selten, und selbstkritisch gesehen, bleibt man dann beim alten Verfahren.
Gruß und Dank,
R.R.


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#9 von riera , 12.02.2013 09:36

Zitat von caepsele im Beitrag #3
Sehr reizend!

Würde mich mal interessieren wie der Zug sich verhält, wenn die Lok bei voller Fahrt umgesteuert wird...
Zumal die Bing'sche Kupplung leider kein Schiebebetrieb zulässt.

Die Flachschiebersteuerungen sind sehr gut! Probleme mit Wasserschlag gibt's nicht, da der Schieber einfach abhebt. Leider wohl zu teuer in der Produktion, da später nur noch Rundschieber verwendet wurde.
Hallo caepsele!
Um den Informationsgehalt zu heben, hier die Flachschiebersteuerung. (Nr. 8547/1, Katalog Gebrüder Bing, Spielwaaren 1898, ). Mit dieser Maschine, erworben in Stuttgart, ca. 1970, wurde das Bing-Interesse fundiert, nachdem zuvor in Tübingen eine Bing Stochenbeinlok, nota bene, 1970er Jahre, erworben werden konnte. Hier schlug sich nieder die erste Röhrchenbiegung (ohne Sand). So fing`s bei mir an.







Mit freundlichem Bing-Gruß,
R.R.



Übrigens: die Röhrchen lassen sich knickfrei biegen, wenn man Vogelsand einfüllt und beidseitig zupropft (Zündhölzchen reicht).

Gruß
Harry


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#10 von riera , 13.02.2013 12:32

So, nachdem nun auch die Schienenräumer rekonstruiert und montiert werden konnten, (Keiner hat die "Rätselfrage" erkannt), muss das Ganze mal in eine "zeitgerechte Szene um 1900" mit Attributen gesetzt werden.





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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#11 von Dampfmaschinenjoe , 13.02.2013 18:47

Eine storchenbeinige Schönheit fehlt mir jetzt noch zu meinem Glück ! Ein echtes Prachtstück hast du da !
immer Hp1 Joe


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#12 von riera , 13.02.2013 23:22

Naja, die Spiel-Eisenbahn-Historie haucht an. Das sind Bing-Raritäten versus Märklin, die für den Modellbahn, geschichtlich interessierten Sammler im weitesten Verständnis, heute nur schwer zu finden sind. Hier sind das Lebens-Alter ("Sammler-Erfahrung") sowie prägende Erlebniserfahrungen beim Erwerb solcher Raritäten, (deshalb werden diese auch hier vorgestellt), sowie Einordnung des Begehrlichkeitsempfindens eines Sammlers mitbestimmend.
Also, (finanzielle und mentale) Selbstkontrolle, familiäre Verantwortung, Sammlerdisziplin und auf gehts auf die Suche. Mein Kommentar:
Sich regen bringt Segen.
Grüße,
R.R.


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#13 von Dampfmaschinenjoe , 14.02.2013 20:47

Vor allen Dingen ist die Geduld das richtige Mittel um zur Lok zu kommen , denke ich. Man sollte in der Hinsicht nichts über das Knie brechen. Vielleicht handelt man gut nach dem Motto: Kommt Zeit kommt Lok !? Richtig ist auch das alles Andere Vorrang hat und wenn dann das geeignete Lökli in Sicht kommt .......... Z A C K !

Immer Hp1 Joe


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#14 von Scrat , 15.02.2013 09:18

Hi Joe,

meinst Du sowas?



Ist mir damals leicht defekt zugelaufen und war mein Einstieg in den Echtdampf auf Spur 0.
Gründlich gereinigt und justiert läuft sie noch heute und zieht 6 vierachsige Bing-Wagen.

Viele Grüße

Holger


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#15 von riera , 15.02.2013 10:42

Zitat von Dampfmaschinenjoe im Beitrag #13
Vor allen Dingen ist die Geduld das richtige Mittel um zur Lok zu kommen , denke ich. Man sollte in der Hinsicht nichts über das Knie brechen. Vielleicht handelt man gut nach dem Motto: Kommt Zeit kommt Lok !? Richtig ist auch das alles Andere Vorrang hat und wenn dann das geeignete Lökli in Sicht kommt .......... Z A C K !

Immer Hp1 Joe

Guten Morgen!
Stichwort Geduld,
Nach 35 Jahren geduldigen Suchens:




Grüße,
RR.


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#16 von Tobe , 19.09.2013 10:49

Hallo Richard,

ich habe gerade mit Interesse Deinen ausführlichen Bericht studiert. An einer Stelle schreibst Du:
"Stabilisierung des bröseligen Lackes im Führerhaus." Es würde mich sehr interessieren wie und mit welchen Mitteln Du das ausführst.

Gruss
Thomas


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RE: OP-Bericht: Restauration Bing Spur I Storchenbein Spirituslok

#17 von riera , 19.09.2013 11:34

Guten Tag!
Antwort:
Siehe Beitrag , Das Knallsignal, Bing setzt die Signal Ordnung um.
Zitat: Des Weiteren die Frage mit dem Spirituslack:
Bing hatte nicht grundiert (es war sicherlich nicht im Lastenheft - falls es eines gab - gestanden, dass der Lack nach über 80ig Jahren noch halten soll...)
Der Lack löst sich von der Zinnschicht. Wie kann ich das verhindern?

Antw: Gibt keine allgemein gültigen Verfahrensanweisungen. Eigene Technik entwickeln! Meine: Subtil mit Fingerspitzengefühl und Lupenbrille die Rissbildungen durch Einbringen in die Risse, (fließt durch die Kapillarwirkung unter die lockeren Lackplatten) einer verbindenden, gut benetzenden Flüssigkeit. Z.B. Tiefengrund(Clou)mit Nitroverdünner,(kapillar benetzend sich ausbreitend) stabilisieren. Sonst im Museum vorstellig werden und Restauratoren befragen. Ist eine eigene Wissenschaft.

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