Zitat von 1borna im Beitrag Eine weitere Zugfahrt von Zagreb in die Schweiz
Wir saßen mit Kaffee auf dem ersten Bahnsteig und beobachteten die Züge
N'Abend Kollegen,
das Zitat ruft mir gerade eine schöne, leider kameralose Geschichte in Erinnerung.
Um 1996 herum wollte ich meine damalige Freundin in Lyon besuchen. In Frankreich war gerade LKW Fahrer Streik, also betankte ich noch einen 20 ltr Blechkanister und legte ihn in den Kofferraum meines kleinen A112. Unterwegs über die Schweiz dachte ich mir dann, warum eigentlich mit dem Auto bis nach Lyon fahren, das wird dort eh nur aufgebrochen oder ganz und gar geklaut. Also habe ich den Bahnhof in Lausanne angesteuert, mal nachfragen was eine Bahnfahrt das Rhonetal hinab kosten würde. Ich weiß nicht mehr wie viel es war, aber es war überschaubar, in der Jura-Garage hinter dem Bahnhof fand ich auch einen kostengünstigen Parkplatz für ein paar Tage.
Endlich den unnötigen Ballast des Autos los ging ich mit einer kleinen Tasche zum Bahnhof, vorbei am Eingang zum Depot. Halt, stop! Da schau ich doch mal ganz sachte rein. Wohlgekleidet ging ich vorsichtig aufs Gelände Richtung Lokschuppen. Entgegenkommende SBB Mitarbeiter grüßten freundlich "Bonjour Monsieur", scheinbar hielt man mich für jemand wichtigen ;-)) Also drückte ich mich schon mal etwas lockerer in das große Rechteckhaus. Wow ! Was ein Schuppen ! Pikobello sauber, nach schweizer Art. Die weite Dachkonstruktion von einem Fachwerkgerüst, ich meine aus Holz, getragen. Über den Fahrleitungen flogen einzelne Vögel und machten es sich im Gerüst bequem. Es herrschte Ruhe wie in einer Kathedrale, zahlreiche Loks standen im Haus. Eigentlich so gut wie alles was man (ich) aus der Schweiz kennt, leider kein Krokodil.
Ich bin aber auch nicht zwischen die Maschinene gegangen, vom Eingang hatte man, leicht erhöht, eine sehr gute Übersicht über das Geschehen. In etwa der Mitte der langen geraden Gleise war eine Schiebebühne über welche die ankommenden Loks in den Schuppen verschoben und auf den Gleisen verteilt wurden. Es waren sicher 6-8 paralelle Gleise, alle unter Draht. Nach rechts hin waren Triebwagengarnituren unterstellt die den Schuppen über eine große Gleisharfe erreichten. Nach links hin sah es ganz ähnlich aus, allerdings nur E-Loks und die Schuppentore waren geschlossen. Da ich keine Kamera dabei hatte, die wäre mir heiß gelaufen, habe ich tief eingeatmet und die herrliche Eisenbahnatmosphäre in mich aufgesogen. Schließlich fand ich an den Schuppentoren links eine offene Personentür. Ich schritt durch und staunte. Strahlenförmig waren die Gleise von einer Drehscheibe in den Schuppen hinein verlegt und auf den Außenständen standen zwei Am4/4, die V200 ! Diese Schuppenanlage sollte mich bis heute beschäftigen, ich weiß nicht wie oft ich versucht habe das auf Modellbahnpläne umzuskizzieren. Ein Besuch neulich auf Googlemaps ergab leider, daß diese traumhafte Anlage heute abgerissen ist
Noch einigermaßen benommen "taumelte" ich in Richtung Bahnhofseingang zurück. Vorbei am Taxistand, dessen Treiben ich mir beruflich interessiert eine Weile ansah. Nur POC-Fahre mit Opel Rekord D, die mit dem furchtbar brummeligen Dieselaggregaten, das günstigste also alles in allem, und so etwas in einem mondänen Ort wie Lausanne :-O Beindruckend fand ich die "Viehlaufgitter" für die Taxikunden die in Reih und Glied lediglich immer die ersten beiden Droschken am Stand erreichen konnten. Perfekt, wenn ich da an das Hauen & Stechen bei uns am Bahnhof denke wenn zwei ICE gleichzeitig eingetroffen sind. "Zivilisierte Welt" ;-))
Schließlich war ich im Bahnhof und stand rasch auf dem sehr breiten Perron an Gleis 1. Da gab es direkt auf dem Bahnsteig kleine Restaurants, Cafés und Geschäfte. Ich setzte mich auf einen Cappucino in ein Café mit direktem Ausblick auf den Zugbetrieb. Und davon gab es gewaltig viel, ich hatte kaum Gelegenheit mich um meinen Kaffee zu kümmern ;-) Wieder alles was Rang und Namen hatte damals. Die Pininfarina Lok mit Eurocity Garnituren, selbstverständlich mit den Aussichtswagen. Dann ihre BLS Schwester mit den zugehörigen Garnituren. Und noch jede Menge mehr, ich konnte das alles gar nicht detailliert aufnehmen, es ging ständig etwas. Ich bin ja nicht so der Schweizkenner ...
Da ich ein Ticket ins Ausland hatte durfte ich nicht den Zug in der großen, luftigen Bahnhofshalle besteigen sondern mußte durch eine Fußgängerunterführung zu den Gleisen in Richtung Frankreich gehen.
Nach der obligatorischen Grenzkontrolle stand ich auf einen Freibahnsteig mit zwei Stumpfgleisen, Kein Zug zu sehen, aber einige hundert Fahrgäste. Mal sehen was da kommen wird. Er kam, und zwar eine zweitige Z2 Triebwagengarnitur der SNCF! Zwei einstöckige Waggons für all die Menschen ?! Wo ein Wille ist da ist auch ein Einstieg. Die Sitzplätze waren natürlich ruckzuck belegt und am Ende saßen im gesamten Mittelgang die Leute auf dem Boden auf ihrem Gepäck, da war auch ich dabei, irgendwo im Bereich des Einstieges. Wie zum Wunder gingen auch alle Türen irgendwann zu und der hoffnungslos überladene Triebwagen rollte sachte aus dem Bahnhof. Scheinbar hatten außer mir noch mehr Leute keine Lust mit dem Auto ins bestreikte Frankreich zu fahren ...
Die Fahrt durch das obere Rhonetal ist enorm eindrucksvoll. Eine grandiose Landschaft, schöne südländische Bahnanlagen. In einem Bahnhof standen die ausgemusterten Typ P Inox Schlafwagen der CIWL, durchgebogen von der Hitze der durch Feuer entsorgten Inneneinrichtung, mit toten Augen der geplatzten Scheiben. Trist aber immer noch würdevoll, man ahnte ihre einstige Eleganz.
Mann, was ein an Eisenbahneindrücken reicher Tag! Und am Abend dann ins Centre Ville in Lyon, in die Freßgasse Rue Mercier zwischen Rhône und Saône, auf einer Flußhalbinsel, über beleuchtete Brücken unterhalb des kleinen Probe-Tour Eiffel.
Was ein wunderbarer Tag ! Auch wenn ich nichts filmisch dokumentieren konnte, davon zehre ich heute noch. Danke !
grüße klaus