heute möchte ich die Verkaufstheken für die Vorführung des damals noch vor der Einführung stehenden "Märklin Digital H0-Systems" vorstellen.
Im Zuge meiner Digitalisierung von allerlei Dokumenten aus dem Modellbahnbereich bin ich die Tage auf die Informationsunterlagen gestoßen, die Händler auf Anfrage bei Interesse am Verkauf des Digital-Systems von Märklin bekommen haben. Diese Information ist vom November 1984, also aus den Anfängen der digitalen Modellbahn.
Kurz zur Korrespondenz, diese bestand aus folgenden Teilen: - Zweiseitiges Anschreiben - Fragebogen an den Händler, um dessen Bereitschaft zum Vertrieb der Artikel zu ergründen - Seminarplan mit den Angaben zu Zeitpunkt und Ort der zweitägigen Schulungen durch Märklin - Einen Flyer mit der Vorstellung der Vorführanlage, also die Theken - Und zu guter Letzt eine Aufstellung der Artikel, die Märklin als Grundausstattung für die erste Bestellung erachtet
Worum geht's? - Siehe hier:
bild.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Die Beschreibung der Theken im Anschreiben lautet wie folgt:
Zitat Die Vorführanlage, die auf einer Plexiglas-Grundplatte befestigt ist, besteht zur einen Hälfte aus dem digitalen System, zur anderen Hälfte aus dem herkömmlichen System. Damit können Sie die Unterschiede Ihren Kunden deutlich sichtbar machen und auch den Einsatz der Lokomotiven im jeweiligen anderen System vorführen. Der Aufsatz beinhaltet die vollständige Anlage und ist oben und an den Seiten (Längsseiten zum Verschieben) verglast. Sie haben die Wahl zwischen der vollständigen Theke mit Unterbau (0755) oder nur den Glasaufsatz mit Anlage (0754). Während Sie die vollständige Theke statt einer bisher bei Ihnen vorhandenen Theke oder zusätzlich einsetzen können, kann der Glasaufsatz mit Anlage auf eine vorhandene Theke gestellt oder durch Umarbeitung in eine Ihrer bisherigen Theken integriert werden. Über das Aussehen, die Abmessungen und die Preise können Sie sich durch das beigefügte Prospektblatt informieren. Die Preise beinhalten auch das Gleismaterial, die Bedienungsgeräte und 3 Märklin Digital H0-Vorführlokomotiven mit transparentem Gehäuse. Auch wegen der Auftragserteilung für 0754 oder 0755 wird Sie unser Verkaufsberater im Januar ansprechen.
Bilder der Theken findet man übrigens im Netz, werden auch ab und zu mal in der Bucht angeboten.
Für den Handel bedeutete das zunächst einmal eine nicht unerhebliche Investition, die Märklin als Grundbedingung ansah ohne die die Einstufung als authorisierter Digitalhändler nicht möglich war. Es wurde erwartet, das der geneigte Händler folgende Bedingungen erfüllte:
- Bevorratung von Digitalartikel in angemessener Stückzahl (war wohl auch Verhandlungssache mit dem Verkaufsberater, im Schreiben ist nur die Grundausstattung gefordert) - Erwerb der Vorführanlage in der Version mit Unterschrank (Text im Fragebogen: "...grundsätzlich mit einem ebenfalls angebotenen Unterbau..." - Auf die eigene Eigenschaft als Märklin Digital H0-Händler durch entsprechende Hinweise innen und/oder außen aufmerksam zu machen, und entsprechende Präsentation der Waren (Aufkleber, Displays, Vitrinen, etc.) - Entsendung mindestens eines Mitarbeiters zu einem der zweitägigen Seminare (Seminar ist umsonst, Reisekosten und Übernachtungskosten trägt der Händler) - Bereitschaft den Kunden konventioneller (analoger) Anlagen erschöpfend zu beraten und ggf. analoges Material in der eigenen Werkstatt zu digitalisieren (also noch mehr Schulungsbedarf für die Werkstattmitarbeiter)
Und natürlich die Abfrage ob es noch mehr Filialen des Geschäftes gibt für die Zusendung weiteren Informationsmaterials
Tja, man sieht: Es brach Damals für die Branche eine harte Zeit heran. Man hat da schon ein wenig "Druck" aufgebaut...
Die geforderte Grundausstattung bestand übrigens aus Transformator, Booster, Central Unit, Control 80, Stellpult, und Dekoder. Plus 10 Loks aus dem reichhaltigen Sortiment.
Der geneigte Händler hat übrigens mal zusammengerechnet was ihn die Grundausstattung gekostet hätte: 3045,98 DM. Zuzüglich der Theke also ca. 7300,- DM, Kosten für die Schulungen nicht mit eingerechnet. Also für kleine Händler wahrscheinlich eher nicht geeignet.
Ob die anderen Hersteller ähnliches gefordert haben? - Mal sehen was hier noch so auftaucht...
Eine kleine Anektode über die Verkaufsveranstaltung von Märklin bezüglich der Verkaufstheken findet sich hier von unserem Forumanen Charles.
Märklin stellte damals auf der Messe nicht nur den Schneewittchensarg vor sondern auch eine komplette Shop-in-Shop Lösung. Die Vorführstrecke wurde ja von verglasten Türmen flankiert, die auch noch einen Überbau trugen, der die beiden Schenkel verband. Bei der Shop Lösung kam aber noch eine Rückwandabwicklung aus ausziehbaren Apothekerschränken dazu, deren Stirnseiten als Vitrinen gestaltet waren. Wenn ich mich recht erinnere sollte diese Lösung um die 15000 DM kosten, das ausgestellte Muster aber würde unter den Standbesuchern verlost werden.
Ich war damals Geschäftsführer in einem Spielwarengeschäft und erhielt wenige Tage nach der Messe einen Anruf von Märklin. Man teilte mir mit, dass mein Arbeitgeber den Mustershop gewonnen habe und dass der direkt von Nürnberg aus zu uns gebracht würde. Na, das war ja vielleicht eine Freude, zuerst habe ich meinem Chef die Neuigkeit überbracht, der hielt das anfangs für einen Scherz von mir und dann machte ich mich an die Arbeit. Ich hatte ja 3 Tage Zeit und musste nur den halben Laden umplanen, den Shop integrieren und ausreichend Platz für die Anlieferung schaffen. Meine Mitarbeiter teilten "freudig" meine Begeisterung.
Der Shop wurde auch pünktlich geliefert und von uns aufgebaut. Natürlich wurde das auch werbemäßig ausgeschlachtet, Märklin Shoplösung, weltweit nur 1x, nur bei uns, Alleinstellungsmerkmal, bla-bla-bla. Die Lokalpresse stand Gewehr bei Fuß und kündigte einen großen Bericht an, handverlesene Gäste wurden für den Abend zum Sektumtrunk eingeladen, natürlich auch der Chef der Hausbank und natürlich war es meine Aufgabe die Anlage vorzuführen. Ich liebe es.
Das Telefon klingelte erneut, der damalige Märklin Geschäftsführer Dr. Wolfgang Huch war am Telefon und avisierte sein Kommen zur großen Eröffnung. Kristian hat ja den Beitrag verlinkt in dem ich von meiner kessen Bemerkung auf der Schulung in Göppingen erzählt habe und nun sollten wir also schon wieder aufeinander treffen. Ich liebe es.
Die Rückwandabwicklung (offiziell Märklin-Depot mit Ziehwänden) war ja ein Handmuster und litt an einigen Kinderkrankheiten. Beim Öffnen und Schließen ging es ziemlich geräuschvoll zu und wenn der Auszug vorne oder hinten auch nur sachte anstieß fielen die ausgestellten Modelle um. Das war beim Rausziehen besonders problematisch denn die Loks fielen dann nach vorne gegen die Glastür. Wollte man die Loks wieder aufgleisen musste man die Glastür öffnen. Das ging aber nicht weil dann die Loks dabei auf den Boden fallen würden. Man musste also die Auszugsschränke mit Schmackes schließen damit die Loks alle wieder nach hinten kippten und man dann die Tür gefahrlos öffnen konnte. Keinen Ärger machten die Spur Z-Modelle, die Göppinger hatten nämlich die Radsätze mit Sekundenkleber auf den Schienen festgeklebt. Die Waggonräder klebten sogar noch auf den Vitrinengleisen und wurden erst von uns entfernt.
Ich übte natürlich ein bisschen an der Vorführanlage und schaffte es bald, dass zwei Züge in einer Richtung fuhren und ich den dritten Zug in Gegenrichtung steuerte und mich damit dann in Sprüngen von Überholgleis zu Überholgleis vorarbeitete. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die Gemeinde ob meines Geschickes niederknien würde aber außer einem gelegentlichen "Da hat aber jemand geübt" kam nichts. In Südhessen ist man mit Lob zurückhaltend, "nit geschennt iss genuch gelobt".
Herr Dr. Huch war jedenfalls sehr zufrieden. Er kam am nächsten Morgen noch einmal vorbei und hat sich artig für die Vorführung bedankt. Und dass wir zusammen in der Zeitung abgebildet waren hat er auch verkraftet. Die Zeitung zitierte ihn übrigens unter der überaus bescheidenen Überschrift "Märklin-Depot eröffnet Modellbahn-Zukunft" wie folgt : "Mit der Digitalisierung mache man eine der schönsten Nebensachen der Welt zum Freizeitprogramm für die ganze Familie, rücke die Generationen wieder zusammen. Seit 1979 habe man den Prototyp der Mehrzugsteuerung entwickelt. Jetzt sei der Modelleisenbahn eine neue Zukunft eröffnet."
Eine Woche später kam übrigens Horst Fleischmann vorbei und hat den Shop ausgiebig inspiziert. Und weil Kristian gefragt hat, entweder Fleischmann oder Trix, ich weiß leider nicht mehr wer es war, hat ebenfalls versucht, die Belieferung von Digitalartikeln mit dem Kauf einer Vorführanlage zu koppeln aber die Begeisterungsfähigkeit des Handels für digitale Vorführanlagen und deren Platzbedarf war endgültig erschöpft.
Zitat von krkier im Beitrag #1Hallo liebe Freunde des gepflegten Handels,
heute möchte ich die Verkaufstheken für die Vorführung des damals noch vor der Einführung stehenden "Märklin Digital H0-Systems" vorstellen.
Tja, man sieht: Es brach Damals für die Branche eine harte Zeit heran. Man hat da schon ein wenig "Druck" aufgebaut...
Die geforderte Grundausstattung bestand übrigens aus Transformator, Booster, Central Unit, Control 80, Stellpult, und Dekoder. Plus 10 Loks aus dem reichhaltigen Sortiment.
Der geneigte Händler hat übrigens mal zusammengerechnet was ihn die Grundausstattung gekostet hätte: 3045,98 DM. Zuzüglich der Theke also ca. 7300,- DM, Kosten für die Schulungen nicht mit eingerechnet. Also für kleine Händler wahrscheinlich eher nicht geeignet.
-Kristian
Hallo Kristian,
danke für diese Infos ! Ein Elektro-Fachhändler bei mir im Ort hat so gegen 1988 das Thema Eisenbahn aufgegeben, er hatte Märklin. Es wurde ihm zu umfangreich, bestimmt war es auch wegen den Kosten, Investitionen dafür.
Eine Digitalanlage war bei ihm auch vorhanden, mit Theke, und durchsichtigen Loks (die Baureihen 212, 216, 103). Ich meine sogar daß es die von dir gezeigte Anlage hier war.
natürlich war der Erwerb der Anlage für viele Händler ein finanzieller Kraftakt.
Aber seitens Märklin war es eine durchaus interessante Idee das damals noch unbekannte Thema "Digitalisierung" den Kunden nahe zu bringen.
Ich habe es seinerzeit mit Interesse wahrgenommen und begonnen, mich für die Digitalisierung zu interessieren. Die Anschaffung von zwei Märklin-Training Koffern war die Folge.
Heute wird Vieles in der Rückschau anders bewertet - verständlicherwiese.
Grüße aus Frankfurt Konrad
Märklin HO seit 1954 - bevorzugt Epoche I - III Fahre analog (M-Gleis) und digital (C-Gleis) auf einer Anlage
Eine Vermutung meinerseits würde ich noch ergänzen wollen: Ich denke, Märklin hat mit der "teuersten Katalogablage der Welt" auch einen Teil der Entwicklungskosten für das Digital-System refinanziert. Aus Sicht des Herstellers eigentlich ein genialer Schachzug, für die Händler bedeutete es auf der anderen Seite, viel Ware verkaufen zu müssen, um mit Märklin Digital in die Gewinnzone fahren zu können.