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TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#1 von Klein_Elektro_Bahn , 19.01.2018 13:37

TT-Historie: 12 mm-Spur-Bahnen der Nachkriegszeit

Im frühen Nachkriegsdeutschland nach 1945 hatten die Menschen anfangs andere Probleme als sich mit Modelleisenbahnen beschäftigen zu können. Millionen Ostvertriebene waren mehr schlecht als recht in provisorischen Auffangslagern untergebracht und begaben sich gemeinsam mit den vielen Heimkehrern und der ausgebombten einheimischen Bevölkerung auf die Suche nach beheizbarem, winterfestem Wohnraum. Die westdeutsche Infrastruktur war kriegsbedingt stark beschädigt, Mietangebote auf dem Wohnungsmarkt rar. Lebensmittel und Brennstoffe waren rationiert und wurden nur auf Bezugsschein ausgegeben. Viele Bundesbürger hungerten. Mit der Reichsmark stand keine vertrauenswürdige, stabile Währung zur Verfügung. Die Märkte lagen am Boden, es fehlten die Warenangebote in den Handelsgeschäften und die nötigen finanziellen Mittel bei der Kundschaft. Es florierte allein der Tausch- und Schwarzmarkt, ein unkontrollierbarer Handel von Waren gegen Waren und Dienstleistungen.

Mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark änderte sich die Situation schlagartig. Jeder Bundesbürger erhielt am 20. Juli 1948 40 D-Mark als Startgeld, einen Monat später nochmals 20 D-Mark, jeweils im Tausch gegen Reichsmark. Sparguthaben wurden offiziell im Verhältnis 10 Reichsmark zu 1 DM umgetauscht. Am Tag nach der Währungsreform standen die Deutschen staunend vor gefüllten Schaufenstern, die Märkte boten plötzlich wieder allerlei Waren des täglichen Lebensbedarfes und Lebensmittel. Noch wichtiger: Das Leben fing an, wieder in geregelten Bahnen zu verlaufen.

In diesem wirtschaftlichen Umfeld begannen die altbekannten und einige neue Unternehmen wieder Modelleisenbahnen herzustellen. Die westdeutschen "Platzhirsche" der Branche reanimierten die Produktion ihrer Vorkriegs- und Kriegsware in der Nenngröße 0 (Null, Maßstab 1:45, Spurbreite 32 mm) sowie in der kleineren Nenngröße H0 (Halb-Null, Maßstab 1:87, Spurbreite 16,5 mm).

Einige Unternehmen entwickelten neue, noch kleinere Modelleisenbahnen mit einer Spurbreite von oder um 12 mm. Wegen der beengten Wohnverhältnisse und den neuen technischen Möglichkeiten zu Beginn der "Wirtschaftswunder-Ära" war die Zeit einfach reif für eine kleinere Bahn. Unabhängig voneinander entwickelten und vermarkteten einige kleinere Unternehmen ihre neuen Modellbahnprodukte unter den schwierigen Bedingungen der westdeutschen Nachkriegszeit ...

- Lytax-Comet-Bahn der Fa. Lytax / Freiburg, produziert von 1946 bis 1949, nur ca. 50 Zugpackungen wurden ausgeliefert.

- Löhmann-Präzix-Bahn der Fa. Löhmann, produziert 1947/48. (Link)

Hier wird die Deckel-Innenseite einer Löhmann-Präxiz-Bahn-Packung gezeigt, auf der eine "Gebrauchs-Anweisung für die Löhmann'sche elektrische Kleineisenbahn Spur TT 12 mm" eingeklebt ist.

- Das Lytax-Nachfolgeprodukt Europa-Bahn der Europa Technische Spielwaren GmbH / Stuttgart, produziert 1950/51.


Titel eines Europa-Prospektes von 1950 mit einem Hinweis auf die "Weltspur TT - 12 mm"

- Taifun-Bahn der Rheinisch-Westfälische Kunststoffwerke GmbH / Kettwig/Ruhr, produziert 1949, als OTO-Bahn 1948 angekündigt.


Triebwagen einer Taifun-Bahn, ausgestellt auf der Total ROKAL 2014 [Foto: Axel Goeke]

- Die kleinspurigere Mignon-Bahn (10 mm) der Fa. Staiger / St. Georgen, produziert von 1947 bis 1951. (Link)

- Die großspurigere WESA-Bahn (13 mm) der WESA AG / Oberaargau (Kanton Bern) aus der Schweiz, produziert von 1945 bis 1966.

Die meisten der genannten Kleinhersteller waren gegen Anfang der 1950er Jahren wieder vom Markt verschwunden. Als einziger Großserien-Hersteller verteilte ROKAL zum Weihnachtsfest 1948 die ersten Zugpackungen seiner "Klein-Elektrobahn" an Freunde und Geschäftskunden des Hauses. Tri-ang (GB) begann erst 1957 mit der Produktion einer TT-Modellbahn, im selben Jahr dann auch Zeuke & Wegwerth in Ost-Berlin.

Mehr zu den Anfängen der TT-Geschichte ist hier nachzulesen.

K_E_B

[Fortsetzung folgt ...]


Gruß aus Lobberich, der Heimatstadt der ROKAL-Bahn



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RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#2 von aus_Kurhessen , 19.01.2018 14:59

Hallo Ralf,

danke für Deine Zusammenfassung der Entstehung der Spur TT und die Links.
Eine richtig gute Seite über WESA gibt es hier: http://www.wesa-trains.ch/
Noch im 1948er Katalog wird die WESA-Bahn als "kleinste elektrische Bahn der Welt" bezeichnet.

In dem verlinkten Artikel auf rokal-tt.org taucht die Mignon-Bahn nicht auf. Vielleicht, weil sie mit 10 mm Spurweite schon recht nahe an der Spur N ist?

Gruß
Jürgen


Schöne Grüße
Jürgen

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RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#3 von Blech , 19.01.2018 15:03

Jürgen,
bei Wesa findet man noch mehr Angaben,
die nicht haltbar waren.
Die damals kleinste Serien-Modell/Spielbahn
war ab 1946/47 tatsächlich Mignon/Staiger in St. Georgen
mit einer 10mm-Spurweite.
Und da gab es einige technische Novitäten
-so der erstmals aus Kunststoff gespritzte einteilige Wagenkasten
der Schnellzugwagen.
Eine Mignon-Anlage wird übrigens am ersten Märzwochenende
beim bekannten Gaggenau-Tischbahntreffen zu sehen sein,
Schöne Grüße aus Südhessen
Botho


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RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#4 von Klein_Elektro_Bahn , 19.01.2018 22:29

TT-Historie: Die Einführung des Begriffs "TT" in die Modellbahnwelt

Die in meinem vorstehenden Beitrag erwähnten Kleinspur-Hersteller bewarben ihren Produkte fast ausnahmslos mit der Bezeichnung "12 mm-Spur-Modelleisenbahn". Der vereinfachende Begriff "TT" hatte sich in der Modellbahnwelt für die 12 mm-Spur noch nicht herumgesprochen oder gar durchgesetzt und wurde nur in Drucksachen der Löhmann-Präzix-Bahn und deren Nachfolger Europa-Bahn mehr am Rande verwendet. ROKAL nannte seine ersten Wechselstrom- und späteren Gleichstrom-Modellzüge anfangs "Klein-Elektrobahn Spurweite 12 mm" ...



Die "Erfindung" des englischen Begriffs "Table Top" (Tischbahn) wird nachweislich dem US-amerikanischen Kleinserienhersteller Harold L. Joyce zugesprochen, der ab 1945 Bausätze (Kits) für vorbildgerechte Modellbahnen im Maßstab 1:120 herstellte und vertrieb. Joyce produzierte seine Modellbausätze unter der Marke Harold Precision Products Inc in Hartford, Indiana, handwerklich in Kleinserie (Link). Seine Produkte blieben in Europa weitgehend unbekannt.

Die erste Ausgabe (Nr. 1/1948) der neuen Modellbahn-Zeitschrift "Miniaturbahnen" informierte im September 1948 die Leserschaft über die zukünftige Ausrichtung der Beiträge und gab eine Übersicht über den aktuellen Stand der Modellbahnerei in diesen schweren Zeiten. Unter dem Titel "Modellbahnen im Ausland" schrieb der Autor Heinz Bingel über Amerika: "Der Amerikaner unterscheidet zwischen "Spielzeugbahnen" und "Modelleisenbahnen". (...) Es gibt in den Vereinigten Staaten 5 Modellspurweiten, die eine Rolle spielen: Die TT-Spur = 12 mm, H0 (halb Null) = 16,5 mm, 00 = 19 mm, S-Spur = 22,5 mm und 0 = 32 mm. Nach einer amerikanischen Statistik ziehen 55% der Eisenbahnliebhaber die H0-Spur (also unsere 00-Spur) vor. 40% arbeiten mit Spur 0 und nur 5% entfallen auf die anderen Spurweiten. (...) Niemand käme dort auf die Idee, diesen Modellbahnsport, der unter dem Sammelbegriff "hobby" (Liebhaberei oder Steckenpferd) fällt, als "Wissenschaft" aufzubauschen. Es bleibt das Ganze, was es an sich ist: Ein "Steckenpferd", eine große Leidenschaft, ein ernsthaftes, begeistertes Spiel mit den Wundern und Möglichkeiten der Technik, das im geregelten Fahrplanbetrieb großer Club-Anlagen seinen Höhepunkt findet."

Aufmerksame Leser des Textes waren damit schon im Herbst 1948 über die englischsprachige Maßstabsbezeichnung "TT" für die 12 mm-Spur informiert, nicht jedoch über die Ableitung dieses Kürzels von "Table Top". Ebenso interessant: Die TT-Bahn konnte in Amerika damals (als auch später) nicht mehr als marginale Marktanteile erreichen. Und der "Modellbahnsport" in Übersee wurde im Allgemeinen nicht "verwissenschaftlicht", sondern zumeist als locker betriebenes Steckenpferd angesehen.

Weiterhin ist im ersten Miniaturbahnen-Heft an anderer Stelle zu lesen: "Sehr aussichtsreich dürfte die ebenfalls von Herrn Ing. Thorey vorgeschlagene 12 mm-Spur sein, Maßstab 1:125, aussichtsreich deshalb, weil der Aufbau einer 12 mm-Bahn weit weniger Platz erfordert als derjenige einer 00-Bahn (Anmerk.: heute H0-Bahn!), ein für die heutigen beschränkten Wohnverhältnisse nicht zu unterschätzender Vorteil. (...) Während für den Durchschnittsbastler eine Selbstkonstruktion von Lokomotiven für 12 mm-Spur infolge der erhöhten Präzisionsansprüche wohl völlig ausgeschlossen erscheint, kann der Waggonbau auch noch in diesem Verkleinerungsmaßstab geführt werden."

Die Quintessenz aus diesen Ausführungen: Der Miniaturbahnen-Redakteur erkannte 1948 zwar das Potenzial der 12 mm-Bahn, sah aber wegen des "unmöglichen Selbstbaus" von Lokomotiven die Zeit noch nicht reif für die kleinspurige Bahn.


ROKAL erwähnte die "Internationale Bezeichnung TT" erstmals im Katalog Herbst 1949 zur Einführung der Gleichstrom-Lokomotive ...




In den folgenden Jahren machte ROKAL das "TT" zu einem festen Bestandteil seines Markennamens, der für die Modelleisenbahn dann "ROKAL-TT" lautete ...




_ Mitte der 1960er Jahre hatte sich die Bezeichnung "TT" für den Maßstab 1:120 etabliert.


K_E_B


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RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#5 von Klein_Elektro_Bahn , 20.01.2018 13:21

Der letzte Beitrag trägt einige Fakten zusammen zur Frage, wann und von wem der Begriff "TT" in Westdeutschland für die anfangs recht sperrig bezeichnete "12 mm-Spur-Modellbahn" eingeführt wurde. Die Zusammenhänge um die Einführung des "doppelten Ts" sind damit noch nicht abschließend geklärt. Die betreffenden Zeiten liegen inzwischen ja auch schon fast 70 Jahre zurück. Gerne werden hierzu weitere sachdienliche Hinweise entgegen genommen ...

Erfunden hat das "TT" als Kürzel für "Table Top" zweifelsfrei der Amerikaner Harold L. Joyce. Der TT-Modellbahn selbst kann dagegen kein "Erfinder" zugeordnet werden. Gegen Ende der 1940er Jahre war die Zeit einfach reif für eine kleinspurigere Modelleisenbahn. Mehrere Unternehmen arbeiteten zu dieser Zeit in Deutschland parallel und unabhängig voneinander an einer kleinspurigen Modellbahn mit 12 mm Spurweite und produzierten diese über einen mal kürzeren, mal längeren Zeitraum. Hier kann kein "Vater der TT-Bahn" eindeutig benannt werden.

Über das Kürzel "TT" - von der trefflichen amerikanischen Bezeichnung "Table Top" abgeleitet - kann jeder TT-Bahner sehr zufrieden sein. Denn hätte man sich in Westdeutschland selbst Gedanken über einen Namen der neuen Nenngröße gemacht, wäre man wohl auf das nahe liegende, traditionsbehaftete Kürzel "D0" für Drittel-Null ausgekommen ... "0" (Null, 32 mm Spurweite, Maßstab 1:45) --> "H0" (Halb-Null, 16.5 mm, 1:87) --> "D0" (Drittel-Null, heute "TT", 12 mm, 1:120) --> "V0" (Viertel-Null, heute "N", 9 mm, 1:160).

Die D0-Bahner, pardon: TT-Bahner, als auch die N-Bahner dürfen sich also glücklich schätzen, dass es anders gekommen ist!

K_E_B

PS. Woher stammt eigentlich das "N" bei der N-Bahn? Wer's weiß, einfach hier schreiben!


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zuletzt bearbeitet 20.01.2018 | Top

RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#6 von Flanders , 20.01.2018 14:07

Hallo Ralf,

ich weiß es nicht - aber ich tippe mal: Das "N" stammt von neun Millimeter Spurweite. Naheliegend - oder?!

VG, Frank


ROKAL rockt !!!


 
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RE: TT-Historie: Die Anfänge der 12 mm-Spur in D.

#7 von Blech , 20.01.2018 14:14

Ja, richtig!
Der Normenausschuss fand damals den N-Vorschlag gut.
Denn in den meisten Sprachen beginnt Neun mit N.
Anfang der Fünfziger einigten sich übrigen die deutschen 00-Hersteller
auf die amerikanische Bezeichnung H0 (Half 0).
Verständlich, denn das 00 war ja in Deutschland eine eher anrüchige Bezeichnung.
Schönes Wochenende -möge Euer Fußballteam gewinnen!
Botho


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