Ja, immer wieder: Fahrer auf der Straße - egal ob mit oder ohne Alkohol im Spiel - rechnen nicht mehr damit, dass da noch ein Zug auftauchen könnte. Aber der tut das dann schneller, als erwartet.
Dass ein Straßenfahrzeug auf einem Bahnübergang hängenbleibt, was zu meiner Jugendzeit des Öfteren als Grund für einen solchen Unfall angegeben wurde, ist eher selten geworden, obwohl es trotz Halbschranken auch immer noch passiert.
Und typisch tendenziös ist auch die Berichterstattung: In der Titelzeile steht die "historische Damplok", obwohl die nix für den Crash kann. Der Unfallverursacher, der Traktor, wird erst im Text irgendwo beiläufig erwähnt. Und dass irgendwelche Fuzzis eine Brücke eingeweiht haben, steht auch überall drin, obwohl das mit der Sache gleich gar nix zu tun hat. Aber so lenkt man die Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr ab, weil der darf natürlich auf keinen Fall in ein schlechtes LIcht gerückt werden.
VlG
MS 800
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Als Kinder haben wir uns am Rattern unserer Züge auf den Blechschienen erfreut ... heute brauchen Sie dazu Sounddecoder.
die Schlagzeile ist wirklich mehr als unglücklich und dient offenbar als Aufreißer, weil ein Unfall mit einer Dampflok doch mehr nach einem interessanten Katastrophenszenario klingt als die eher banale Tatsache, dass ein fahrlässiger Traktorist gepennt hat und deshalb in die Lok gefahren ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Traktor die Lok aus den Gleisen gehoben hat. Hätte er sich mit einer 95er angelegt, wären wohl nur kleinere Metall- und Plastikteile von dem Traktor übriggeblieben, verteilt auf einer Strecke von 300 Metern. Was dann wohl der freundliche Lokaljournalist geschrieben hätte?
In der Fliegerei ist es übrigens ähnlich: fällt ein Betrunkener in ein geparktes Flugzeug, so berichten sie auch gleich über ein Flugunglück. Es muss eben alles spektakulär sein. Ich weiß auch nicht, über wie viele "Jahrhundertunwetter" ich vor der Sache im Ahrtal schon gelesen habe - und jetzt hat das Jahrhundert immerhin noch weitere 78 Jahre. Dabei gibt es gar keine Unwetter. Es ist der gleiche sprachliche Blödsinn wie mit den Unkosten. Es gibt nur viele verschiedene Wetterarten und alle möglichen Kosten. Unwetter wären meteorologische Situationen, in denen das Wetter keines mehr ist. Unkosten wären dagegen schön, weil sie gerade keine Kosten wären; dann müsste man sie auch nicht bezahlen. Der Unmensch dagegen benimmt sich eben wie das Gegenteil eines Menschen, das ist schon plausibler, aber sprachlich dennoch Tinnef, weil ein Gericht ihn schließlich nur als Menschen verurteilen kann und nicht als Sache.
Aber gerade die Lokalberichterstattung ist aller Erfahrung nach nicht unbedingt die Königsdisziplin des Journalismus; man muss naturgemäß in diesem Genre ständig mit derartigen Glanzleistungen rechnen, es scheint einfach dazuzugehören wie die "bitteren Wahrheiten" über die zwischenmenschlichen Beziehungen des Adels und vielzähliger sog. Prominenter, die in jenen Druckwerken veröffentlicht werden, die besonders gerne von Frauen mit Gewichtsproblemen gelesen werden, weil gleich nach den Trennungsgerüchten um das Ehepaar Merkel/ Sauer die besten und genialsten Diäten aller Zeiten angepriesen werden, mit denen frau schlagartig verschlankt und dennoch die doppelte Menge Sahnetorte zu sich nehmen kann. Sünde ohne Reue und schaudern ohne selbst betroffen zu sein, das spricht gewisse Urinstinkte des Menschen an und verkauft sich einfach gut. Henri Nannen hätte noch eine nackte Frau auf den Bahnübergang gestellt ("Ich bin auch mit der RB 218 gefahren") und hätte damit die Auflage verdoppelt.
Wie es wohl mit der Lok in dem Zeitungsbericht weitergegangen ist? Vllt. kam ein unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher vorbei und hat sie nach Lummerland weggefahren? Und was mag mit den vielen wichtigen Bürgermeistern geschehen sein, auf diesem gottverlassenen Bahnübergang? Vllt hat einer von ihnen mit den Handybatterien und dem Motor aus einem zufällig mitgeführten Nasenhaarentferner aus einem der Waggons einen Elektrotriebwagen gebaut, den sie "Phönix" nannten und der sie wieder in die Zivilisation zurückbrachte? Oder waren etwa in der Zwischenzeit neue, noch wichtigere Bürgermeisterlein an die Macht gekommen und hatten, nachdem die Lokomotive ihr Ziel nicht erreicht hatte, einfach die Strecke abgebaut, so dass ihre Vorgänger nie wieder heimkehrten? Nun, wir werden es aus der Zeitung erfahren, denn unser Lokalreporter wird sicherlich engagiert berichten, wenn neben dem ehemaligen Bahnübergang dereinst ein Gedenkstein enthüllt wird... Da werden jetzt bestimmt auch schon Zeitzeugen gesucht.
das mit den Unkosten habe ich mal in einer BWL-Vorlesung so gelernt: Kosten sind planbar und auch geplant, Unkosten sind auch Kosten, aber - weder der Höhe nach, noch dem Zeitpunkt des Auftretens - nicht planbar, also auf Unfälle (auch so ein Un-Wort, ein Unfall ist ja nicht das Gegenteil eines Falls, sondern ein nicht vorhergesehenes Ereignis), nicht vorhersehbare Reparaturen, Versterben von Mitarbeitern, ... zurückzuführen, also auf alles, was sich im weitesten Sinne nach dem Zufallsprinzip ereignet. Unkosten werden in größeren Firmen zwar mit irgendeinem langjährigen Mittelwert in der Jahresplanung berücksichtigt, aber die Abweichungen vom Plan konnen immens sein - von nahe 0 bis in schwindelnde Höhen, je nachdem, wie viel in dem betreffenden Jahr an Unvorhergesehenem Kosten verursacht.
Ebenso ist ein Unwetter eine nicht vorhersehbare Wettersituation, oft mit hohen Unkosten verbunden. Das Jahrhundertunwetter ist natürlich Unsinn und der ist klar das Gegenteil einer sinnvollen Aussage.
Bei den liegengebliebenen Promis bin ich mir dahingegen recht sicher, dass die kurz nach dem Zusammenstuß auf dem Weg nach Hause waren, entweder im Auto mit dem Dienstwagenfahrer oder auch mit der LAGin.
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