Hallo Klaus,
da sprichst Du ein schwieriges und sehr wichtiges Thema an. Als jemand, der vor nicht allzu langer Zeit am Anfang stand, habe ich mir solche Gedanken auch schon gemacht. Es gibt ja den bekannten Leitsatz von Dieter Rams: „Weniger aber besser“, den ich für sehr richtig halte.
Eindrücklich war da meine H0-Zeit. Was ich da gesehen habe, hat mich teilweise schockiert. Vollgestopfte Hobbyräume, die eigentlich nur Lager waren, volle Einkaufstüten nach Börsenbesuchen und Ansammlungen, in denen jedes noch so schöne Stück in der Masse unterging. Und was soll ich sagen: Nach einem Jahr hatte ich selbst bereits vier F800 mit Gusstender, zwei SK, zwei HR und trotzdem war es nie genug.
Mit dem Schritt in die Spur 0 hat sich das gewandelt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass mich die alten Loks und Wagen von Beginn an wahnsinnig fasziniert haben. Da reicht es mir, eine meiner Loks anzusehen und ich bin glücklich. Mit den Erfahrungen aus meiner H0-Zeit habe ich da vieles überdacht. Eine gute Erfahrung war, dass ich meine H0-Sammlung für meine HR70 verkauft habe. Begonnen habe ich mit einem wunderschönen Schnellzug aus einer sehr gut erhaltenen SK 800 mit 350er Wagen. Das war alles andere als einfach, aber wenn ich meine HR anschaue, bin ich sehr glücklich über diese Entscheidung und darüber, dass ich das Geld nicht einfach vom Sparbuch genommen habe.
Seitdem versuche ich, nicht Sammler sondern Spieler zu sein. Vitrinen habe ich bewusst nur zwei Stück, um mir vor Augen zu halten, dass der Platz begrenzt ist. Mit meiner Anlage habe ich mir einen Rahmen gesetzt, den ich nicht überschreiten möchte. Ich überlege mir jeden Kauf sehr genau und stelle mir die Frage: Welche Spielmöglichkeiten wünsche ich mir für meine Anlage? Da habe ich es bislang geschafft, konsequent zu sein. Dazu hat auch gehört, dass ich meine PLM mit Uhrwerk verkauft habe, weil sie sich für den Spielbetrieb für mich als nicht geeignet erwiesen hat. Damals habe ich viele PNs von verwunderten Forenkollegen erhalten und ich sage Euch: Als ich sie eingepackt habe, habe ich schon sehr gelitten. Aber es war die richtige Entscheidung.
Niemals freiwillig trennen würde ich mich dagegen von meiner TCE. Keine andere Lok aus meiner Sammlung bietet mir so viel Spielspaß. Sie passt einfach perfekt zu den Dimensionen meiner Anlage und ich habe sie wirklich an jedem Tag im Einsatz. Viele finden die TCE ja nicht so gelungen. Ich finde dagegen: Sie ist eine echte Märklin-Ikone und man kann sie gar nicht genug loben. Meine Begeisterung für die TCE kennt praktisch keine Grenzen.
Aktuell kann ich sagen: Mein gesamter Spur 0 Fuhrpark ist auch tatsächlich im Einsatz und jedes Stück hat für mich seine Berechtigung. Ich hoffe, dass meine derzeitige Freude auf Dauer so nachhaltig ist, dass es mir gelingt, alles weiterhin so überschaubar zu halten. Auch, wenn das eine oder andere Stück durchaus noch auf meiner Wunschliste steht.
Ein Erlebnis möchte ich nicht verschweigen: Als unser Haus vor zwei Wochen ein schweres Unwetter abbekommen hat, stand kurze Zeit sogar ein Anlagenabbau für die notwendigen Dacharbeiten im Raum. In dem Augenblick habe ich mich über alles geärgert, was ich jenseits der Spur 0 sonst noch so in den Regalen stehen habe. Bis der Dachdecker Entwarnung gab, hatte ich meine Loks und Wagen vorsorglich bereits im Wohnzimmerschrank verstaut und war so geknickt, dass ich meine Anlage eine Woche lang nicht mehr angesehen habe. Ich habe aber auch gemerkt, wie viel von dem, was ich sonst noch so unterm Dach stehen habe, einfach nur nutzloser Ballast ist. Und dass es gut ist, dass ich im Ernstfall meine Spur 0 innerhalb kürzester Zeit verstaut habe.
Dann finde ich aber auch (und das betrifft auch Dich, Klaus), dass man nicht so hart mit sich ins Gericht gehen darf. Solange man mit Freude bei der Sache ist und nicht völlig kopflos alles mögliche ankarrt, darf man nach einigen Jahrzehnten auch eine beachtliche Sammlung haben und in Ehren halten. Dass Du, Klaus, Dir gelegentlich auch mal über den „Sinn und Unsinn“ Gedanken machst, heißt nicht, dass es gleich einen radikalen Kahlschlag braucht. Vielleicht ist einfach eine kleine Sammlungsbereinigung angezeigt. Ich finde jedenfalls, dass alles, was ich bislang von Dir gesehen habe, einen sehr aufgeräumten und gut strukturierten Eindruck macht und dann ist doch alles gut. Ein Problem hat eher derjenige, der sich diese kritischen Fragen nicht stellt.
Wichtig finde ich, dass man bei aller Leidenschaft für sein Hobby seine Lebensfreude hauptsächlich aus anderen Dingen ziehen kann. Ich persönlich denke oft darüber nach, dass die Lebensumstände sich schnell ändern können. Für mich gibt es mit meinen 33 Jahren keine Garantie für ein behütetes Leben im Einfamilienhaus mit meiner Märklin-Anlage. Gerade Corona hat für mich gezeigt, wie schnell sich alles ändern kann. Die Grundlage für ein glückliches Leben muss man da aus Dingen ziehen, die unabhängig von Wohlstand sind. Ich bin Sammlern begegnet, die ihr ganzes Leben für ihre Eisenbahn einschränken und Freundschaften, Partnerschaft, Freizeitaktivitäten, sogar Kleidung und gute Ernährung hintenanstellen, um die Hobbykasse zu füllen. Das finde ich ausgesprochen bedenklich und ich finde es offen gesagt befremdlich, dass anscheinend bei manchem Sammler Neuzugänge vor dem Lebenspartner versteckt werden. Es sollte eben in allen Lebensbereichen Maß gehalten werden.
Viele Grüße
Christian