Hallo zusammen,
an dieser Stelle möchte ich Euch vom Besuch der Zuckerfabrik Armant berichten. Als Feld- und Waldbahnfan hatte ich Hoffnungen u.a. etwas über die von VEB Lokomotivbau "Karl Marx" Babelsberg exportierten V10 C zu erfahren.
Die Zuckerherstellung ist für Ägypten eine sehr wichtige Angelegenheit. Im Zubereiten von Süßspeisen sind die Ägypter Meister. Weltweit hat das Land den höchsten pro Kopf Verbrauch des weißen Goldes. Grundlage ist Zuckerrohr, welches in Nilnähe angebaut und über die Wintermonate geerntet wird.
Vor einigen Jahren machten meine Freundin und jetzige Ehefrau Badeferien am Roten Meer in Hurgada. Dies war unser erster Aufenthalt in Ägypten. Dieses Land reizte uns wegen u.a. der Altertümer schon lange. Wir beschlossen von Hurgada aus eine organisierte Bustour nach Luxor zu unternehmen, um erstmal einen Überblick zu erhalten. Natürlich sollte die Fahrt auch dazu dienen, den Wahrheitsgehalt der Landkarten zu überprüfen, denn im Raum Luxor sind unzählige dickere und dünnere Bahnlinien eingezeichnet…
Die ersten Feldbahngleise konnten kurz vor Luxor links und rechts der Nationalstraße 02 gesichtet werden. Sie machten einen mehr oder weniger befahren bzw. befahrbaren Eindruck. Hinter einigen Bäumen verdeckt konnte ich eine stehende Stangendiesellok ausmachen, die auf eine Ns 3 hindeutete. Dem Vorbau fehlten alle Abdeckbleche. Ich konnte noch drei Blindwellen ausmachen und das die mittlere größer war. Husch waren wir mit dem Bus vorbei…Weitere Feldbahngleise konnten in Luxor auf der Westbank sehen, als wir Richtung der Memnonkolosse, Hatschepsut Tempel und Tal der Könige fuhren. Diese sind am meisten bekannt. Außer drei abgestellten vierachser Wagen war kein Fahrzeug zu sehen. Die Zuckerrohrernte war Mitte Februar im Großen und Ganzen abgeschlossen. Das war der Anfang.
Nun hatten wir natürlich mit Bakschisch und Co umzugehen gelernt und im Bewußtsein, daß manchmal in Ägypten nichts geht und dann wieder ist alles problemlos ist. Man muß manchmal wirklich Glück haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und vorallem die richtige Dosierung von Fingerspitzengefühl und Durchsetzungswillen an den Tag legen, wenn man ganz exotische Sachen will. Die Launen mancher Sicherheitsleute richten sich auch sehr nach der politischen Großwetterlage im Orient.
2005 befanden wir uns in den Flitterwochen. Die Nilkreuzfahrt von Luxor nach Assuan war vortrefflich, eventuelle „feldbahnverdächtige“ Orte auszuspähen, die mit Zucker zu tun haben.
Aufgefallen ist ein riesiger Industriekomplex mit Schiffsverladung bei Edfu. Man konnte die gleichen mit weißen Säcken beladenen Vierachser erkennen, wie in Luxor. Dasselbe Bild bot sich in Kom Ombo, dort standen leere Wagen an der Schiffsverladung.
Zurück in Luxor angekommen, war der Beschluß klar, einen Taxifahrer auszufragen und anzuheuern. Er meinte wir müssen nach Armant, dort sei eine große Zuckerfabrik. Dieser Taxifahrer hatte uns schon einige Male innerhalb von Luxor gefahren und sich als zuverlässig erwiesen. Er sprach auch ganz gut englisch. Schon im Vorfeld der Reise hatte meine Frau vorgeschlagen ein Empfehlungsschreiben, von meinem Betriebsleiter der Museumsbahn unterschrieben, in Englisch zu besorgen und mitzunehmen. Goldstück! Vorzeigefotos waren selbstverständlich…
Nun in Armant am Haupttor der Zuckerfabrik angekommen, wurden erstmal die Ausmaße der Anlage bewußt. Die Einfahrt war mit einem großen Eisentor und Pförtnerhäuschen gesichert. Dahinter konnten man schon einige grüne Dieselloks sehen. Nun aber durchkommen. Im Wissen, das in Ägypten immer ein Sicherheitsdienst da ist, der nicht zur jeweiligen Unternehmen, Firma oder den Altertümern gehört, machten wir uns an die Arbeit. Der Taxifahrer hatte uns versprochen zu helfen und verschwand im Pförtnerhäuschen und kam und kam nicht wieder. Mit dem Empfehlungsschreiben in der Hand gingen wir ihm nach. Im Raum diskutierten 3 Mann und der Taxifahrer angeregt und kopfschüttelnd. Daß man sich nicht einig war, konnte man schon beim Betreten des Raumes klar erkennen. Dem der am Wichtigsten aussah, zeigte ich das Papier und erklärte auf Englisch das Anliegen. Es stellte sich sofort heraus, daß von den drei Herren keiner der englischen Sprache mächtig war…Nun begann der „Wichtige“ eifrig mit telefonieren. Der Taxifahrer sagte zu mir ich solle etwas von „Lokomotivbusiness“ faseln. Ich begann ein wenig über Bombardier, Alsthom und Co zu wettern. Schimpfen kommt ja immer gut, denn der Gegenüber will ja nicht auch noch gegen sich aufgebracht sein. Der Taxifahrer übersetzte dies dem Pförtner. Gleich wurde er ruhiger. Kurz danach wieder Telefonieren. Wenig später wurden wir in Richtung der Loks geleitet, nicht ohne vorher Fotoapparat und Handy zu deponieren. Ganz wohl war uns nicht, aber was tun, auf der einen Seite wollte man rein, auf der anderen das gesunde Mißtrauen. Aber wir wußten auch, daß Ägypter keine „Schweinehunde“ sind, seinen sie noch so bettelarm. Den Nationalstolz gegenüber der Welt haben alle schon seit Jahrtausenden im Blut, der auch auf die Araber und die koptischen Christen übergegangen ist. An der ersten Lok stand ein älterer, sehr freundlicher und herzlicher Mann, der sich uns als Ingenieur Ahmed Hagag vorstellte. Ich sagte, daß wir von der deutschen „Forest Railway Muskau“ kommen und uns für die Lokomotiven interessieren. Er bat uns in sein nahes Büro. Seinem Mitarbeiter gab er kurze Anweisung und hieß uns willkommen in Armant. Er erzählte uns, die Fabrik sei eine der ältesten und nahm 1869 die Arbeit auf. Kurz danach kam sein Mitarbeiter mit einem Tablett Teegläsern wieder. Nun witzelte Herr Hagag herum, es sei kein Zucker mehr da. Ich lachte und sagte „…kein Zucker in Armant, eine schwere Katastophe…“ Er verschwandt kurz nach nebenan und kam mit einer Zuckerdose wieder. Nun kamen wir in den Genuß eines der stärksten Tees, den ich je trank. Ich selbst bin Teegenießer, meine Frau auch.
Nun wollte Herr Hagag erst einmal genau alles von unserer Bahn wissen. Ich erzählte, daß sie seit 1895 fährt und bis 1990 als letztes Gut Ton für eine Ziegelei transportiert hat und seitdem für den Touristenverkehr genutzt wird. Ich berichtet ihn vom Wiederaufbau von zwei Strecken und von den Dampflok von 1912 und 1918, die an bestimmten Tagen die Züge ziehen. Aufmerksam sah er sich die Bilder an, die ich ihm danach schenkte. Ich fragte ihm nach LKM Loks. Er schüttelte den Kopf und sagte, daß er seit den achtziger Jahren hier arbeite und es gäbe nur die Loks aus Rumänien. Und dann sei noch die zweiachsige DIEMA von 1976 da. Sie ist abgestellt, denn sie hat sich kaum bewährt. Stolz erzählte er vom Streckennetz, welches 250 km umfasst und bis kurz vor Esna reiche. Er erzählte von den Motorproblemen mit den rumänischen Dieselloks. Er zeigte mir eine Motorenbeschreibung von Daimler Benz Stuttgart – Untertürkheim von 1982/1984. Damit fahren die Loks besser. Daneben habe man auch Volvo Motoren und ein Cumins Motor eingebaut. Die Volvo Motoren lobte er auch sehr.
Beim Rundgang durch die Werkstatt und Abstellhalle zeigte er uns die „großen“ L30 H und einen kleineren Typ L18 H. Die großen hätten 230 oder 250 PS und ziehen bis zu 13 Wagen, welche ausschließlich von der Lok aus gebremst werden. Die kleinen Rumänen würden im Werk zum Rangieren genutzt. Sie hätten 150 PS. Stolz zeigte er uns eine fast noch neue rumänische, dreiachsige Lok – ohne Stangen -. Sie solle einen amerikanischen Motor haben. Die zahllosen vierachsigen Wagen seien sehr alt und im Lande hergestellt. Leise fragte ich ihn, wie es mit dem Fotografieren aussehe, in der Hoffnung die Kamera holen zu können. Er bat mich um Verständnis, es müsse ein großer Chef genehmigen. Das sei sehr kompliziert. Aber ansehen können wir uns alles genau. Zum Bilder machen sollten wir zur Ernte kommen und auf den Feldern fotografieren. Da sei freies Gelände, wo jeder machen kann, was er will. Er erzählte, man habe derzeit 25 betriebsfähige Lokomotiven. Er zeigte uns die Tafel, auf der alles (natürlich arabisch) verzeichnet ist, wann Motor, Bremse und Getriebe zuletzt überprüft wurden. Er nahm sich viel Zeit, uns alles zu zeigen. Zum Schluß gab es eine herzliche Verabschiedung. Langsam gingen wir an der vorderen Lokreihe zurück um Pförtner. Unsere Fotoaparate hatte er ordentlich in eine Schublade seines Schreibtisches eingeschlossen und trug den Schlüssel in der Hosentasche. Korrekt bekamen wir alles wieder. Herzlich und lachend verabschiedeten wir uns. Der Taxifahrer brachte uns nach Luxor zurück. Er bekam ein ordentliches Trinkgeld für seinen Einsatz.
Als Resümee kann man sagen, ein schönes Feldbahnerlebnis auch ohne Bilder gehabt zu haben. Im Kopf ist alles gespeichert. Vielleicht hätten wir auch bestimmter auftreten sollen, aber wir wollten in den Flitterwochen auch keine unangenehmen Ereignisse und freuten uns über das Erlebnis.
Hier hatten andere Glück, was zu sehen:
http://www.bahnbilder.de/name/galerie/ka...zuckerrohr.html
http://tour-en-blog.de/wp-content/uploads/Fotos/teb0183.jpg
Pikologe