Hallo zusammen,
der richtige Erfolg für Rivarossi waren in den Sechzigern die großen US Loks, ich bin jetzt mal böse, eigentlich billige Dinger die in riesigen Mengen (gefühlt, hat jemand Stückzahlen?) aus den Spritzgussformen fielen und unter verschiedenen Labels über den Teich geschippert wurden und unglaublich billig vertickert wurden. Leider nicht in Deutschland, hier waren sie teuer und in vor-Internet-Zeiten für viele US-Freaks die einzigen verfügbaren US-Dampfer. Entsprechend waren die Börsenpreise, und wenn man dann eine hatte und zuhause aufs Gleis stellte: knatter, ruckel, knirsch - Ende. 250.- DM weg und eine Lok die nicht lief und bei näherem Hinsehen garantiert auch irgendwo Bruchstellen und Fehlteile hatte. Glück, wer unverheiratet war, der musste den Mißerfolg nur mit sich selbst ausmachen und Umbauversuche starten, Erfolg auch hier unklar, der Motor war am einfachsten zu tauschen und am seltensten Schuld, hakelig waren die Getriebe und ein weiteres Highlight die eiernenden Kunststoffräder und natürlich die unschlagbaren Billig-Plastik-Antriebswellen.
Das hier ist so eine, ich habe sie schon lange und sie war nicht billig. Irgendwie ist es ja immer so. Aber ich musste sie einfach haben. Und die ist noch gut eigentlich, nur die Glocke fehlt und ein Auftritt ist abgebrochen.
Wenn man sie aufschraubt sieht das so aus:
Die fuhr auch noch, aber ich habe mich entschlossen die unbeschädigte Original-Antriebswelle zwecks Schonung auszubauen und gegen eine Kugelschreibermiene zu ersetzen. Hört das Lachen auf Männer, tut mir auch weh, schlechter gewuchtet als das Original-Plastikteil ist die auch nicht und wenn man zwei Kugelschreiberfedern drüberstülpt und an den Enden zusammendrückt sieht das erstens total technisch aus und funktioniert sogar recht gut.
Ein paar Bleigewichte oder so Zeugs noch rein, macht die Lok schwerer und fördert die Zugkraft. Na ja, also sie schleppt dann ihr Eigengewicht und ein paar Waggons. Neue Haftreifen wären natürlich der Knüller und sicher würden sich auch irgendwie passende finden, aber das Losschrauben der Gestängeschrauben erfordert Mut. Der Kunststoff versprödet gerne und die werksmäßig reingewürgten Schrauben können beim Herausdrehversuch auch mal ganz gerne die Speichen zerstören. Und das war es dann. Also: ich traue mich nicht.
Ich kann euch versichern: Dieses Modell fährt. Jedenfalls nachdem ich alle an der Stromführung beteiligten Metallobjekte gründlich gereinigt und entoxidiert habe, die Lok besteht zu 97,3% aus Plastik und alle Metallteile mit Ausnahme der Handläufe haben bei näherem Hinsehen was mit der Stromführung zu tun. Viel Spass beim Polieren...
Ach so, Baujahr ist ab 1967 und bis 1980. Das klingt so als wäre man damals einfach zum Modellbahnladen getigert und hätte so ein Ding aus dem Regal bekommen. Mag sein, in USA, aber vielleicht nicht mal da. Bei Rivarossi war das eher so die sozialistische Art der Warenverteilung, also die wenigsten deutschen Modellbahnhändler dürften sich auf eine Vorbestellung eingelassen haben und kein Modellbahner der halbwegs bei Verstand war dürfte so ein Ding im Voraus bezahlt haben, denn Liefer- und Produktionstermine bei RR waren sehr unverbindlich. Die Loks nach deutschem Vorbild hat man wohl besser bekommen.
Und das ganze Zeug war unglaublich teuer. Mir liegt die deutsche RR Preisliste von 1974 vor, da kostet diese Lok 173.- DM, für dreissig Mark weniger bekam man die teuerste Lok aus dem gesamten Fleischmann-Programm, die Baureihe 50, anständig durchkonstruiert, solide verarbeitet und gebaut für die Ewigkeit.
Um so mehr bewundert man diejenigen, die sich damals für Rivarossi entschieden. Und ganz ehrlich, so superhäufig ist die S1 auch heute noch nicht zu bekommen.
Schönen Gruß,
Ralf