Liebe eisenbahnhistorisch interessierte Fachexperten,
es gibt so Sachen bei denen fragt man sich: Ist das interessant, will das jemand sehen, ist das was Besonderes?
Weil, so lange ist das noch gar nicht her, mir kommt es vor wie ein paar Wochen erst. Zehn Jahre mögen historisch gesehen nicht viel sein und ich weiß noch, damals hatte ich schon keine Lust den öden Bahnalltag aufzunehmen und Fotos für "Massenware" zu verschwenden…weil - und da fängt es schon an - "damals" hatten wir noch keine digitalen Fotoapparate, keinen Computer und kein Internet…ich jedenfalls nicht. Es ist 1997, präzise der 22. November 1997, bei mir ist seit gut einem Jahr das Eisenbahninteresse wiedererwacht, die Modellbahn ist gerade erst neu aufgebaut und jedes freie Wochenende blase ich volles Rohr alles verfügbare Geld auf Börsen raus und mir alle Modellbahn-Kinderträume nachträglich noch zu erfüllen.(Wenn ich bedenke was für einen Schrott ich manchmal für viel Geld gekauft habe…)
Na, wie gesagt, Bahnalltag. Ein mitinfizierter Freund und ich beschließen - nicht zum ersten Mal - eine Tour mit dem Wochenend-Ticket zu unternehmen. Das war ja für Eisenbahnfreaks schon ein kostengünstige Möglichkeit was von der Bahn zu sehen. Und irgendwie hatte ich auch noch einen 24er Film übrig, quasi zum "verschwenden". Ja, die jüngeren Leser mögen sich wundern, ich mich manchmal auch, es gab noch keine Fotohandys und Filme kamen von Agfa, Fuji oder Kodak, mit 24 oder 36 Bildern, und wenn die voll waren mussten die aus der Kamera - die auch keine tolle war - herausgenommen werden, im Fotoladen unter Angabe der vollständigen Adressdaten zum Entwickeln abgegeben werden. Und dann begann das bange Warten… werden die Bilder was geworden sein? Das war auch nicht selbstverständlich und zuhause gab es keinen Rechner mit Bildbearbeitungsprgramm und grobe Schnitzer noch irgendwie abzumildern. Man musste sie so nehmen wie sie kamen. Und natürlich auch bezahlen…Das nur als Einleitung und zur Erklärung warum man nicht alles aus jeder Perspektive und so zwischendurch einfach mal aufgenommen hat. Das kostete nämlich Geld und jedes misslungene Bild war rausgeschmissen Geld!
Komm zu potte…okay, so - also es ist November, die Tage sind kurz und es ist saukalt und nebelig in Köln. Aber wir sind gut gelaunt, Kölner Hauptbahnhof und im Überschwang der Begeisterung hauen wir wie die Profis einfach mal so ein Foto raus - wahllos in den Waggon geknipst:
Jaha, das ist ein Silberling. Ich würde nicht sagen, daß ich diese Wagen geliebt hätte, Abteilwagen waren immer was Besseres, aber verglichen mit heute…ja, die Sitze waren noch richtig gepolstert, weich und zu schmal. Und aus Gummi. Im Sommer klebte man dran fest…aber es war ja Winter...
Und - man konnte die Fenster öffnen! Ein unglaubliches Feature welches ich heute schmerzhaft vermisse. Gut, nicht lange und wenn man nicht gerade allein im Wagen war kam auch immer ganz schnell jemand der einen aufforderte das Fenster zu schließen "es zieht!"…Kopf raus brrrr - kalt…die Hohenzollernbrücke:
Köln Deutz. Umsteigen in den Eifelexpress. Hier ein Blick auf unsere Kasten 110:
Auf dem Gegengleis fährt die Eifelbahn ein. Eifelbahn ohne 215 - das geht überhaupt nicht - 215 048 wird uns bis Trier bringen:
Im Hintergrund die Häuser des Barmer Viertels die später trotz Denkmalschutz abgerissen werden um Platz zu machen für ein zum Scheitern verurteiltes Messeprojekt. Aber Hauptsache erst mal plattmachen, Denkmäler sind schließlich immer lästig und teuer.
Der Zug in die Eifel ist proppevoll, auch 1997 gibt es bei der DB schon niemanden mehr, der in der Lage ist bei spontan auftretendem Bedarf noch ein oder zwei Reisezugwagen anzuhängen. Damals war ja gerade das Desaster mit diesen fürchterlichen Neigezügen auf der Eifelsttecke. Die Züge kosteten ein Heidengeld (also natürlich nur den Steuerzahler und deshalb war es ja auch egal) und funktionierten nie, als Ersatz wurden die ältesten verfügbarten D-Zug Wagen rausgekramt. Wir fahren in einem grün-beigen original DR-Wagen, mit Abteilen und auch wieder Gummisitzen. Kein Foto davon.
Die Direktion Saarbrücken war lange so eine Art Paradies für altfarbene Lokomotiven, berühmt war die 110 271 die bis fast zur Jahrtausendwende als immer wieder ausgebesserter blaulackierter Flickenteppich durch die Gegend fuhr. Leider bekommen wir sie an diesem Tag nicht zu sehen. Aber es ist auch so nicht schlecht. Planmäßige Ankunft in Trier, und der Lautsprecher stimmt uns auf eine zehnminütige Verspätung des Anschlusszuges ein. Gut - weil ich schon vor Begeisterung japsend am Nebengleis die 141 115 sehe, ganz in Grün - und ich habe ja zehn Minuten Zeit…ja, denkste. Wer genau hinschaut erkennt über den Köpfen der unbeteiligten Passanten bereits den ungeplant planmäßig einfahrenden Zug nach Saarbrücken und es gibt nur ein Notfoto:
Gezogen von der ebenfalls grünen 141 111…auch dieser Zug rappelvoll, ich glaube wir haben im Gang gestanden. Die Wochenendtickets haben die DB mit ihrem Erfolg komplett überrascht, die an Wochenenden üblicherweise leeren Regionalzüge sind plötzlich überfüllt von Billigreisenden mit dem besagten Ticket. Seitens der Bahn wird aber schnell nachgebessert indem man den Ticketpreis schneller anhebt als die Benzinpreise und heute gilt das Wochenendticket glaube ich nur noch für mondlose Vollmondnächte und Reisegruppen mit nicht weniger als siebzehn Fahrgästen mit mindestens einem Hund oder so…
In Saarbrücken klart es auf und hier bleiben wir etwas länger. Die Mehrsystemloks mag ich und hoffe ein paar davon zu sehen. Jetzt kennen wir uns nicht aus und wissen nicht ob und wie man zum BW kommt. Vom Bahnsteig aus sehen wir 181 210 immerhin, auch noch blau:
Fast gleichtzeitig fährt 181 206 ein, designierte Museumslok und sogar noch mit altem DB Keks! erst mal ein Sicherheitsbild im Schatten des Bahnsteigdaches machen und dann positioniere ich mich am Bahnsteiende um spektakulär die Abfahrt aufzunehmen - nochmal genau geguckt…soo .. ja noch was nach rechts- ja jetzt! Ich drücke auf den Aulöser und - nichts! SCH….E !!! Vor lauter Herumprobieren und Hinstellen und Gucken und was nicht all habe ich nicht gemerkt, daß sich die Kamera zwischenzeitlich unauffällig in den Energiesparmodus verabnschiedet und ausgeschaltet hat….dämliches modernes Mistzeug!
Alles Brüllen und Fluchen hilft jetzt auch nicht mehr, hier das Bild vom Bahnsteig:
Immerhin ist mir jetzt warm. Ich muß mich beruhigen und wir machen mal einen Gang durch das Bahnhofsgebäude, holen uns irgendwas fettiges zu Essen und trällern nichtsahnend wieder raus auf den Bahnsteig - und dort parkt gerade das hier:
Ich war mir der historischen Bedeutung dieses Augenblicks überhaupt nicht bewusst, kann aber heute sagen, daß das meine letzte Begegnung mit einer original altroten Lokomotive der V160 Reihe im Alltagsbetrieb der DB sein sollte, 218 364. Ja, gestaunt haben wir schon, aber irgendwie sind wir damals noch immer der Ansicht, daß "sowas" ja doch noch ab und zu herumfährt und die alten Farben auch immer irgendwie überleben würden. Die wahnsinnige Verkehrsrot-Umpinselung der Jahre darauf hätte sich nach den ewigen Übergangsphasen der vorherigen Lackiersysteme niemand vorstellen können. Und die Vorstellung, daß die DB es schafft mal wirklich alles im einheitlichen Look zu präsentieren hätte uns ziemlich belustigt…
Jetzt mal langsam in die andere Richtung geschlendert, da steht was silbern-glänzendes was sich anscheinend nicht bewegt:
Und das hat ja sogar eine richtige Lok! Also so ähnlich kenne ich die von Fleischmann, aber diese hier ist anscheinend die Baby-Schwester, mit zuwenig Achsen und zuwenig Chrom. Aber immerhin, ich glaube die Franzosen haben nachher auch irgendwelche hochdotierten Designer angeheuert um ihren Fahrzeugpasrk mit einer möglichst unmöglichen Farbpalette zu überschütten. Hier ist also 68 583:
Ich habe lange nicht mehr geflucht, es ist kalt und wir haben locker Zeit um mal den Bahnsteig zu wechseln und das Teil näher zu betrachten:
Es wird langweilig, es fahren zuwenig Züge oder nur orientroter Kram den wir nicht fotografieren - aber es sind noch Bilder auf dem Film und den möchte ich jetzt vollbekommen. Weil, das ist ja auch so blöd, ein Film muß ja voll sein um ihn zu entwickeln und deshalb ganz oder gar nicht und jetzt fotografiere ich alles was nicht weglaufen kann.
Auf dem Bahnsteig aufgestellt ein Zeugniss der mangelnden Weitsicht des menschlichen Geistes, die Radsatzgruppe der schönen 18 602. Die Lok war noch in den Siebzigern als Heizlok komplett vorhanden und niemand hat den Mut, das Geld oder das Durchsetzungsvermögen gehabt um die ganze Lok zu bewahren. So sehen wir hier ein paar umotiviert vor sich hingammelnde Radsätze. Besser als nichts meinetwegen, aber richtig glücklich macht mich das auch heute noch nicht:
Die Loks auf dem nächsten Bild machen auch eigentlich nichts. Sie stehen bereits die ganze Zeit dort herum und eigentlich will ich sie nicht fotografieren. Weil, die gibt es ja noch überall und außerdem steht die ozeanblau/beige vorn…ja wenns wenigstens die grüne wär - oder alle in grün - ja Mann…ach nee was sind wir heute wieder anspruchsvoll.
Aber der Film muß voll und so verballere ich sinnlos mein vorletztes Foto….mit dem Ergebniss, daß auf diesem Foto mehr Loks der gesamten Baureihe 150 vereinigt zu sehen sind, als heute überhaupt noch existieren:
Tja, und dann geht es heim. Die Moselstrecke runter nach Koblenz und von dort rechtsrheinisch zurück nach Köln. In Koblenz bekommen wir als Zuglok eine creme/rote Bügelfalte. Kein Foto, zu dunkel. Und wieder einen Abteilwagen, Polstersitze, resopalverkleidete Wände, eloxierte Metallbeschläge, satt dichtschließende Abteiltüren und eine kuschelig warme Heizung…Alltag!
Das hat jetzt nichts mit dem geistesgegenwärtigem Festhalten einer zuendegehenden Epoche zu tun, nur - da ist ja noch ein Bild auf dem Film….also was solls…Klick:
Schönen Gruß,
Ralf