Vor einigen Tagen fand ein Röwa-Schnellzug seinen Weg aus dem Auktionshaus zu mir. Der Verkäufer hatte eigentlich nichts falsch gemacht, dennoch lag der Preis für 6 sehr schön erhaltene Wagen bei gerade mal 16 Euro und 4 Cent.
Die Geschichte:
1966 bot Willy Ade Trix moderne Schnellzugwagen im Maßstab 1:100 an, was damals die längsten Schnellzugwagen auf dem Markt waren (Rivarossis maßstäbliche erschienen etwas später). Man konnte die Wagen als Trix-Express- oder als Trix-International-Supermodelle erweben, ab 1969 nach dem Ende der Zusammenarbeit als Röwa-Modelle. Sollte die Wiedergabe dieser Zusammenhänge falsch sein, bitte ich um Korrektur.
Der Zug:
Der Postmann brachte mir also ein Paket von Wagen, mit einem Preis von weniger als 1 ct/mm. Darin waren:
Ein Wagen 1./2. Klasse:
Dazu das Röwa Katalogbild von 1972/73:
Und die Vorstellung im Miba-Messebericht 1966:
Ein Wagen 1. Klasse in Pop-Farben (klimatisiert):
Die Pop-Farben gehen übrigens auch im Original auf Vorschläge Willy Ades zurück:
1972/73:
Ein Liegewagen TOUROPA,
mit mittig geteilten Fenstern an der Abteilseite:
Gangseite mit vorbildentsprechend ungeteilten Fenstern:
Katalog 1972/73:
Ein Liegewagen SCHARNOW:
Mit etwas abgegriffenem Gold.
Katalog 1970:
Besprechung im Miba-Messebericht 1968:
Ein Gepäckwagen in Pop-Farben:
Katalog 1972/73:
Ein Postwagen:
Noch mit Briefkasten, in der Miba oben schon gezeigt.
Katalog 1972/73
Die Kupplung:
Alle Wagen verfügen über eine verschiebliche Pufferbohle, die von der vom Drehgestell gedrehten Deichsel bewegt wird, links…
… und rechts:
und nun dat janze von unten:
Was bringt das? Weniger Gefahr zu überpuffern (das war vor Einführung der Röwamatic-Kurzkupplung). Deshalb können die Wagen enger gekuppelt werden.
Hier Röwa…
… und hier Roco. Eigentlich die gleichen Grundmodelle, beide ohne Kurzkupplungs-Kulisse, nur eben einmal mit und einmal ohne Schiebe-Pufferbohle:
Ja okay, und was bringen die paar Milimeter?
Eine ganze Menge. Meist schaut man ja schräg schräg auf den Zug, und da ist der Röwa-Zug nicht mehr durchsichtig, wo man den Roco-Zug ohne KKK noch durchschauen kann:
Das Zubehör und die Sache mit dem Geld:
Röwa bot wichtiges Zubehör zu den Wagen. Unter anderem Kupplungsdeichseln für verschiedene Bahn-Systeme (1972/73):
Der linke Gepäckwagen trägt die serienmäßige Röwa-Deichsel („Röwa-Märklin-System“), der rechte die für Fleischmann:
Auch andere Einzelteile waren erhältlich, zu traumhaften Preisen, nicht nur in absoluten DM.
Ach ja, Preise: übrigens ist der Faktor des Kaufkraftverlustes zwischen 1970 und 2008 genau 2,99 und zwischen 1973 und 2007 2,53. Die zwischen 1070 und 1973 deutliche Inflation machte übrigens auch den Faktor 1,18 innerhalb von drei Jahren aus, was allerdings nicht ganz den Preissprung von ca. 30% bei den Wagen erklärt. Gab es also auch damals alles schon.
Also, bei welchem Hersteller gibt es heute ein Drehgestell zu 1/20 des Waggonpreises (1972/73) bzw. für 1 EUR 29?
Andererseits kostete der Pop-Düm 1973 nach heutigen Maßstäben 28 EUR 40, das heutige Roco-Modell für 36,90 weist immerhin eine Kurzkupplungskinematik auf.
Die Sache mit den Fenstern:
Die Liegewagen sind – wie die Speisewagen – länger als die Sitzwagen, wie hier zu erkennen:
Offensichtlich nutzte Röwa die Grundform auch für den Büm, denn erstens sind die Fensterstege in der Mitte zu breit und zweitens ist der Wagen für 1:100 zu lang (und länger als ÄBüm und Aüm):
Im Neuheitenblatt 1973 waren denn auch Wagen mit anderer Fensterteilung angekündigt:
In Fettschrift war dann auch „mit 12 / 10 Abteilen“ betont. 11 oder 9 Abteile, das kannte man doch? Genau. Oben Röwa, unten Fleischmann. Sogar die hinterleuchteten Zuglaufschildkästen hat Fleischmann wie Ade realisiert:
Hersteller:
Die Wagen gab es als Röwa und als Trix, unterscheidbar nur an der Bodenplatte, beides Düm:
Oben TI-ABüm, unten Röwa Aüm:
Ach ja, und später? Röwa-Erbe bei Roco. Düm:
Was blieb:
Im Roco-Programm 2007/2008 findet sich noch ein Relikt aus dieser Serie, der 1:100-Gepäckwagen zum eigentlich stolzen Preis (s.o.).
1991/92 fanden sich noch fast alle Wagentypen mit korrekter Fensterteilung im Programm:
Soviel erstmal dazu, Ergänzungen und Korrekturen sind sehr willkommen.
Benutzte Quellen sind die angegeben Röwa- und Roco-Kataloge und Neuheitenblätter, das Buch „Trix (Schuco, Bing und Co. 4. Berühmtes Blechspielzeug aus Nürnberg)“ von Jürgen Franzke und Hans Zschaler, die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sowie diverse zeitgenössische Miba-Ausgaben und insbesondere der dort 12/2003 erschienene Artikel über Willy Ade, den man sich bei Ade anschauen kann.
http://www.ade-eisenbahn-modelle.de/download/Ade80.pdf
Schönen Gruß
Hans-Christian