Hallo,
es gibt nur ganz wenige Mitarbeiter von Spielzeugfabriken, die bedeutend tätig waren und namentlich bekannt blieben. Einer von diesen Leuten ist John C. Koerber. Erfreulicherweise ist sogar ein Bild von ihm erhalten geblieben. Und hier soll ihm ein Denkmal gesetzt werden.
Die amerikanische Modellbahn-Zeitschrift SGA Nr. 7, die letzte Ausgabe eines Verbandes von Modelleisenbahn-Liebhabern, der wegen Mitgliedschwund (!) unterging, brachte 1961 einen Nachruf.
DORFANs John C. Koerber gestorben
Einer der letzten überlebenden Großen des goldenen Zeitalters der tinplate-Szene ist von uns gegangen - John C. Koerber, ehemaliger Chefingenieur und Betriebsleiter der Dorfan Company in Newark, N.J., starb am 4. Februar 1960 in Orange N.J. im Alter von 72 Jahren.
Herr Koerber wurde am 10. August 1887 in Nürnberg geboren. Zuerst trat er in das Eisenbahnmodellgeschäft ein, als er für BING genau oder um 1910 arbeitete, wo er grafische Eisenbahnwagen entwarf oder bei der Gestaltung half. Später kam er in Kontakt mit Josef Kraus & Co., ebenfalls aus Nürnberg, einer Firma, die von Kraus und den beiden Forchheimer betrieben wurde und deren Firmennamen FANDOR durch die Kombination der Vornamen Fanny und Dora, den Müttern von Herrn Kraus und den Brüdern Forchheimers gebildet wurden. Während seiner Zeit bei Kraus entwarf Herr Koerber für FANDOR schöne und akribisch lithographierte Eisenbahnwagen und etablierte sich dort im Allgemeinen als ein elektrischer und mechanischer Zauberer.
Nach dem 1. Weltkrieg beschlossen Milton und Julius Forchheimer in den USA eine von Josef Kraus völlig unabhängige Spielzeugeisenbahngesellschaft zu gründen, bei der Herr Koerber sich für Technik und Design verantwortlich zeichnete. Alle drei kamen ungefähr zur gleichen Zeit in den USA an; Herr Koerber kam am 1. Mai 1923, und alle drei wurden später amerikanische Bürger. Die Firma DORFAN wurde als Fabrik in der Jackson Street 137, Newark, N.J., gegründet und die Produktion von sowohl Uhrwerk- als auch elektrischen Spur 0-Zügen begonnen. Die elektrische Standard-Gauge-Spur wurde 1926 hinzugefügt.
DORFAN hat in vielen wichtigen Entwicklungen im Bereich tinplate Pionierarbeit geleistet, von denen einige, wie z. B. die Richtungsumkehrung und die Entkuppelung durch Fernsteuerung, unbestreitbar ihrer Zeit voraus waren. Die Hauptmerkmale von DORFAN in den 1920-er Jahren waren ihr umfassender Einsatz von Zinkdruckgussteilen und der "Take-Apart" Lokomotive oder "Loco Builder". [ "Take-Apart" Loks und "Loco Builder" waren Fahrzeuge, die der Junge in kurzer Zeit selber zusammenbauen konnte, also eine Art Lok-Bauksten ]. DORFAN war der erste Hersteller, der eine Druckguss-Karosserie herstellte und tatsächlich einer der Hauptanwender und Pioniere im Zinkdruckgussverfahren. Alle diese Entwicklungen wurden weitgehend unter der Leitung von Herrn Koerber, der eine Reihe von Patenten für Miniaturzugausrüstungen erhielt, ausgeführt und hergestellt.
John C. Koerber war ein sorgfältiger Arbeiter und Perfektionist. Seine Lokomotiven und Eisenbahnwagen, selbst die vierrädrigen Spur 0-Modelle, waren wie Schlachtschiffe gebaut, und seine Elektromotoren waren vermutlich die stärksten, die je in einem elektrischen Spielzeugzeug eingebaut worden waren. Eine Steigung von 25% war nur ein kleiner Hügel für eine DORFAN-Lokomotive - und das lange Zeit vor den Gummihaftreifen oder magnetischen Traktionshilfen! [ Das trifft nicht zu: Koerber hat in die im Show-Room in New York gezeigte und dort fahrende Lokomotive mit einer magnetischen Traktion ausgestattet. Erst Anfang der 50-er Jahre gab es dieses System bei Marx, und nur deshalb, weil Koerber das "Geheimnis" ausgeplaudert hatte. ] Tatsächlich behauptete DORFAN, die Gründe für die große Leistungsfähigkeit seiner Lokomotiven wäre die Verwendung von Zinkdruckgussteilen, ein Material, das sie als "nicht zerbrechliche, nicht-magnetische DORFAN-Legierung" bewarben.
Dies mag den heutigen Eisenbahn-Bastlern seltsam vorkommen, die aufgrund von damals unbekannten und ungeahnten versteckten Kontaminationen in vielen der Pionier-Zinkdruckguss-Mischungen heutzutage viele Lokomotiven von DORFAN in schlechtem, verbogenen oder zerfallenem Zustand vorfinden. Die Lokomotiven von DORFAN waren jedoch bei ihrer Herstellung nahezu unverwüstlich, und eine bevorzugte Demonstration für die Fabrikbesucher war, eine Lok mit voller Wucht auf den Zementfußbodens zu schleudern.
Allerdings, um Herrn Koerber Tribut zu zollen, gibt es nichts, was einer überlebenden in gutem Zustand befindlichen DORFAN-Lokomotive gleich kommt. In den späten 1930-er Jahren erzwangen Proteste der Hersteller von Modelleisenbahnen das Ende bei einer Modelleisenbahn-Vorführung in New York, wo ein kleiner DORFAN-Zug mit ebenso vielen Eisenbahnwagen wie die großen Wurm-Eisenbahnzüge die Wagen wegzog.
Der Lieblingsspruch unter den DORFAN-Enthusiasten war, dass man, wenn man einen DORFAN-Motor an die Wand des Raumes koppelt, dieser die Wand wegziehen würde, was natürlich etwas übertrieben war, aber seine Grundbasis zeigte sich in einer Art Tauziehen-Test, bei dem eine kleine Dorfan Standard-Gauge-Lok 3920 alles gewann, was gegen sie gekuppelt werden konnte, und diese Lok 3920 erst am Ende gegen eine zweimotorige 408E-Lok verlor!
Die Züge von DORFAN wurden in den zwanziger Jahren vom Publikum begeistert angenommen und der Umsatz des Unternehmens stieg so rapide an, das es zu den "Big Four" der amerikanischen Hersteller zählte. Ab 1930 ging die Produktion der Firma mehr oder weniger bergab und verkleinerte sich, nachdem sich die Depression [Wirtschaftskrise] verstärkte. Die Firma konnte oder wollte nicht nur sehr günstige Züge machen - Mr. Koerbers Antwort auf den Winner und Joy-Line-Typ war eine kleine Lokomotive, die Nr. 50 mit der Regulierungsqualität von DORFAN-Motorenteilen - und während es dem Unternehmen immer schlechter ging, war es offensichtlich unmöglich, genügend Kapital zu erhalten, um das umfangreiche Umrüstungsprogramm zu finanzieren, das sie brauchten und wollten. Noch 1938 entwarf Herr Koerber eine geplante DORFAN-Linie von H0-Gleiszügen, aber es ist nichts daraus geworden, und die Firma beendet kurz darauf die Produktion. Herr Koerber hatte keine weitere Verbindung zum Spielwarengeschäft.
[Das trifft nicht ganz zu: Meinem Wissen nach hat Herr Koerber schon vorher und auch danach in dem obersten Stockwerk der Fabrik in der Jackson Street Kinder-Grammophone mit kleinen Schallplatten mit Kinderliedern usw. produziert und solche Apparate auch für die Kölner Schokoladenfabrik Stollwerck hergestellt, die darauf kleine Schallplatten aus Hartschokolade abspielen ließen.]
Modelleisenbahnen sind heutzutage völlig anders als zu den Zeiten von DORFAN, obwohl sie vermutlich gleich gut sind. Es wäre für DORFANs einsatzfreudigen und stets wachsamen Chefingenieur scxhwer geworden, sich einer Welt aus Preiswettbewerb und Plastik anzupassen. Perfektion und Kraft waren seine Vorgaben, und er hat für immer seine Spuren in den Zügen hinterlassen, die er für BING, für FANDOR und vor allem für DORFAN entworfen hat. Die Erinnerung an ihn wird so lange vorhanden sein, wie Männer sich mit der Modelleisenbahn befassen und die Miniaturzüge vergangener Tage sammeln.
Der Modellbahn-Sammler Matt King, der in der Nähe von John C. Koerber lebte und mit ihm befreundet war, hat einen 200-foot 16-mm-DORFAN-Werbefilm erhalten, der unter den Sammelgegenständen von Herrn Koerber viele Jahre lang unentdeckt geblieben war [ Koerber hatte seine Sammlung schon einige Jahre früher komplett veräußert]. Dieser Film zeigt das berühmte DORFAN-Standard-Gauge-Layout im Boy Scout Camp in New Jersey, die Pfadfinder, die DORFAN "Loco Builder" -Motoren usw. montieren. Er wurde offensichtlich in den späten 1920-er Jahren aufgenommen.
Der Film wurde in der Kerry Decker TV-Show gezeigt. Wichtig ist der Film, den man von 3:30 vis 7:21 sehen kann.
https://www.youtube.com/watch?v=9zTNThqTfuI
Und wer einen längeren interessanten Film über DORFAN mit dem Sammler John Wheelers sehen will, kann das hier anschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=l9q_RbHd1bw&t=2740s
Schönen Gruß
Udo