Da man im Forum fast täglich von Nachbauten, Umbauten und Neubauten "historischer, alter " Modellbahnlokomotiven lesen kann, hier mal ein Beitrag über eine verbastelte 2 C 1 Bing-I-Lok, die rückgebaut wurde.
Korrektureingriff an einer Bing 2 C 1 Elektrolok (11/874/1).
Die Erstdiagnostik der vorliegenden Lok ergibt, dass diese im Bing Verkaufskatalog von 1927 unter „Einzelne Lokomotiven mit Tender zum Anschluß an das Starkstromnetz unter Verwendung von Transformatoren (bei Wechsel-und Drehstrom) bzw. Umformern (bei Gleichstrom)“ aufgeführt ist.
Im Folgekatalog von 1928 heißt es „Elektrische Lokomotiven für 18 Volt zum Anschluss an die Lichtleitung des Ortsnetzes“
Unter der Abbildung mit der Nummer 11/874/1 ist zu lesen:
„Elektrische Lokomotive m. Tender, Spurw. I = 48 mm, 6 achsig, mit 2 Stirnlampen, Hand- und autom. Umsteuerung u. Einrichtung für Zugbeleuchtung, Loco 45 cm, Tender 24,5 cm lg. p. St“.
Die Lokomotive ist in der Tat eine imposante Erscheinung, mit den fast 70 cm Länge. Sie ist offensichtlich für den modernen Wechselstrombetrieb mittels Trenntrafo bestimmt, als Folge des Verbotes der Starkstromvorschaltewiderstände vom 01. April 1927 durch den V.D.E. Als Hinweis für einen evtl. mal stattgehabten „Starkstrombetrieb“ sind die typischen roten Blitze im Führerhausboden vorhanden.
Nach dem Zerlegen der Maschine zeigt sich, dass diese bereits mal umgebaut worden ist. Die Platinenpfeiler wurden aufgebohrt und sind mittels 3 mm-Senkkopfschrauben wieder fest verschraubt. Das erklärt auch, dass der Motor neu gewickelt zu sein scheint, die Umschaltevorrichtung ist entfernt, die neu angelegte Verkabelung beinhaltet den Einbau eines Gleichrichters, die Rollenstromabnehmer sind belassen, jedoch sind über die Rollen neue Plattenstromabnehmer montiert.
Diese Veränderungen sind den folgenden Bildern zu entnehmen:
Der Diodengleichrichter aus einem Online- Verkaufsangebot: agor FB1002L B80/70-10 Silicon Bridge Rectifier Brückengleichrichter 10A 80Vrms,
und ausgebaut mit neuem Platinenpfeiler verlötet, hier in grober Montageverschraubung, verzinkter 6mm Schraube mit Mutter. Dieser Befund stört die Harmonie des Motors und führt zum Überdenken der vorgefundenen Situation.
Es kann keine schlüssige Erklärung für diesen vorgenommenen Umbau gefunden werden. Da dies alles den damaligen technischen, „historischen“ Gepflogenheiten der Bingwerke widerspricht, wird entschieden, den Motor so angleichend zu bearbeiten, dass er der ursprünglichen, damals eingesetzten Technik nahekommt. Erinnert sei daran, dass bei Bing sog. „Allstrommotoren“ verwendet wurden, d.h. diese arbeiten mit Wechsel- und Gleichstrom. Das ist auch das angestrebte Ziel im Sinne eines „Rückbaues“.
Dazu Zerlegen des Motors, Entfernung des unpassenden modernen Gleichrichters, Entfernung der neuen Verkabelung, Durchmessen der Wickelungen, Durchgang gegeben,
Ankerwicklung 1: 2,3 Ohm
Ankerwicklung 2: 2.3 Ohm
Ankerwicklung 3: 2,3 Ohm
Feldspule: 6 Ohm.
Unter Zugrundelegung der Reder Zeichnung wird nun neu verkabelt, wobei nur eine Fahrtrichtung, nach vorwärts angestrebt wird, da der Umschalter ja fehlt.
Beim ersten Bewegungsversuch zeigt sich, dass der Motor rückwärts läuft. Was ist zu tun?
Nach „Umpolung“ der Feldspule ist die Laufrichtung dann korrekt vorwärts.
Beseitigung einiger Kurzschlüsse, vor allem bei den Lampen. Bei denen waren u. A. die 3,2 mm Gehäusegewinde „ausgeleiert“, ohne festigende Funktion. Daher einbringen von 3,5 mm Gewinde mit schneiden entsprechender Gewinde in neue Schlitzschrauben, sodass die Lampengehäuse nun wieder auf der Pufferbohle bzw. Rauchkammertür fest verschraubbar sind.
Zusammenbau und Probefahrt: alles okay.
Ein Betrieb mit Gleich- und Wechselstrom ist möglich.
Gleichstromspeisung:
Lok allein, schneller Lauf bei 21 Volt mit 1,4 Amp. Stromverbrauch.
Probebetrieb mit Bing-Trafo KT1, 2o V sec., 75 V.A.: Ruhiger, kräftiger Lauf mit 18 Volt abgegriffener Spannung
Last not least soll das Starkstrompult mit drei Kohlefadenbirnen probiert werden,16 cd, 25 cd und 32 cd:
Unbefriedigende Leistung, kaum Fahrt, 18 Volt werden abgegriffen. Wegen Fehlen von Birnen mit höherer Candelazahl kann hier nicht weiter probiert werden.
Trotz großen Kreises kommt es immer wieder zum Entgleisen bei geringsten Unebenheiten der Schienenverbindungen, vor allem bei den Weichen. Hier springt entweder das Vorlaufgestell oder die Nachlaufachse aus dem Gleis, manchmal auch die große Mittelachse, obwohl die Achse hier querverschieblich ist.
Da die Maschine „trocken“ optimal läuft, wird sie nicht zum Routinebetrieb eingesetzt, sondern dient als „Vitrinenmodell“, auch wegen der stattlichen Größe.
Grüße,
Rie