Hallo Freunde der Vollmotorisierung,
wir schreiben das Jahr 1974 und das neue Industriegebiet am Rande der Stadt hat ein neues Highlight. Früher, beim Adolf, wurden in dieser Halle Wunderwaffen gebaut, nach dem Krieg Kabinenroller und nach der Pleite des Rollermobilherstellers wurde auf dem Gelände eine hübsche kleine Einfamilienhaussiedlung gebaut. Auf dem gesamten Gelände? Nein eine von einigen unbeugsamen Werktätigen aus der Konkursmasse billig gekaufte Halle wiedersetzt sich allen Abriss- oder Modernisierungsbestrebungen. Hier schrauben unrasierte Gestalten mit wirren Frisuren semi-gewerblich an nicht mehr ganz so aktuellen Fahrzeugen herum, manche kaufen sie (ohne Rechnung), möbeln sie auf und verkaufen sie völlig selbstlos natürlich immer mit einem empfindlichen Verlust (oder ohne Rechnung und mit leerem Tank).
Wer Beziehungen hat, dem wird hier unbürokratisch geholfen, wer Neukunde werden will muß dagegen sehr mutig und furchtlos sein. Aber es ist Ölkrise und Rezession und da verzichtet auch manches Lästermaul aus der Siedlung auf die fachgerechte Inspektion für den gepflegten 1960er Rekord beim freundlichen Opel-Partner und traut sich "ausnahmsweise" auch mal hier hin.
Bezahlung im Voraus und Ersatzteile entweder selber mitbringen oder hoffen, daß in der Schrottecke was Passendes liegt. Oder irgendwas wird passend gemacht, die noch guten Bremsbeläge vom BMW an den Rändern was abgefeilt und dann passen die auch in einen Ford, zum Beispiel.
Auch beliebt sind TÜV-Vorbereitungen, gerade jetzt im neuen Jahr, wo die falsche Farbe der seit einem halben Jahr abgelaufenen Plakette dann doch etwas auffällt.
Sehr wertlos zum Beispiel ist das DKW-Coupe, noch mit Heckflossen und dem stinkenden Zweitaktmotor. Der gehört einem Studenten, der damit Frauen aufreissen will. Wenn er dann mal läuft...
Der Brezelkäfer von Opa Müller, da hat Murkel-Fred, der Chef vom ganzen, ihm vertrauensvoll klargemacht, daß man für diesen alten Wagen längst keine neuen Reifen bekommt und daß er, Opa Müller, froh sein müsse noch nicht erwischt worden zu sein, denn darauf stünde fast schon Zuchthaus. So hat er die hundert Mark für den VW leicht zweifelnd als guten Preis für den alten Wagen (mit original 12500 Kilometer auf der Uhr) akzeptiert. Opa Müller war noch nicht ganz vom Hof, als Murkel-Fred sich an die Schreibmaschine setzt und eine Anzeige für die Veteranenrubrik in Auto-Motor und Sport aufsetzt:
Brezelkäfer, Bj. 8/49, völlig original, Liebhaberfahrzeug, VB DM: 6500.-
Der 300er gehört einem hier stationierten US-Soldaten, gekauft für 1500.-$ und jetzt schnell reisefertigmachen für die Verschiffung übern Teich.:
Autos aus den Fünfzigern sind zu dieser Zeit wertlos, der Opel gehört einem Italiener und der Ford FK, der nur noch auf drei Zylindern läuft wird für die samstäglichen Schrottplatztouren benötigt:
Der noch ziemlich gute 1960er Rekord:
Nochmal ein Blick in die Schrottecke, jetzt mit einem seitengesteuerten 12m von 1957:
Die beiden neueren Fords gehören Murkel-Fred und seinem zweitbesten Mitarbeiter, von den bescheidenen Gewinnen die das Unternehmen abwirft ist mehr nicht drin. Okay, den mal billig organisierten 911er ohne Papiere erwähnt Fred nur in kleinem Kreis, da muß noch irgendwas mit der Fahrgestellnummer in Ordnung gebracht werden...
Ja, und das ist die ganze Wahrheit von oben, Reste einer Apfelsinenkiste und eine alte Plastikhalle unbekannten Ursprungs:
Schönen Gruß,
Ralf