Hallo zusasmmen,
was Claus uns da zeigt, entspricht, was es in den 1950er üblich war. Es war nur nicht so üppig.
Ich hole da mal etwas weiter aus. Schaut man auf das Angebot der Häuslebauer, wurden damals so gut wie keine städtischen Bauten angeboten. Man wollte - wie in den damaligen (Heimat-)Filmen - die Zeit des Krieges so schnell wie möglich vergessen. Die Städte mit Hausruinen bildeten kein attraktives Vorbild. So findet man in den Katalogen eigentlich nur Häuschen, wie sie auf dem Land vorzufinden waren.
Ich besaß ein altes Adressbuch aus den 1930ern in dem neben dem Namen, die Berufe und ggf. die Telefonnummer eingetragen war. Mit dem Buch unter dem Arm habe vor etwa 20 Jahren mehrfach meinen damals fast 80-jährigen Nachbarn besucht. Wir sind zusammen das Verzeichnis durchgegangen, wer vor 1939 von den 1000 Einwohnern schon ein Auto besaß. Wir kamen auf 10 Autos. Kein Traktor oder Ähnliches. Er konnte sich sogar noch an die Automarken erinnern. Diese wenigen, kostbaren Autos standen bei Nichtbenutzung wohlbehütet in einer Garage. Die Straßen waren praktisch ohne Autos.
Gleich nach dem Krieg war die Dorfbevölkerung (durch ausgebombte Städter und Vertriebenen aus dem Osten) auf 2000 Einwohner gestiegen. Doch die Zahl der Autos beschränkte sich zunächst auf das, was der Krieg übrig gelassen hatte. Viele Vorkriegsautos, besonders von der Wehrmacht wegen ihrer Holzkarossen verschmähte DKWs tauchten wieder auf. Bis Ende der 1950er waren im Straßenbild noch Vorkriegsmodelle (z.B. Opel-Blitz) sehen.
Da Mitte der 1950er-Jahre noch keine große Neubautätigkeit eingesetzt hatte, wohnten die nun 2000 Einwohner, in dem Räumen, in dem zuvor 1000 wohnten. Es war in den Häusern einfach kein Platz, um eine feste Anlage aufzubauen. Was möglich war: eine wegräumbare Platte, auf der die Gleise und Elektrik montiert waren und bei "Betrieb" die Häuschen immer wieder anders aufgestellt wurden. Wie auf dem Bild aus dem Museum sah auch die Märklin-Anlage meiner wenige Jahre älteren Cousins Mitte der 1950ern aus. Obwohl der Vater als Arzt gut verdiente, gab es kein Zimmer für eine feste Modellbahn.
Es gab vereinzelt schon Literatur (aus dem Modellbaubereich), in der Vorschläge zur Gestaltung einer festen Anlage gemacht wurden. Brücken sollten aus Sperrholz mit der Laubsäge ausgesägt werden. Berge (wie auf dem Bild aus dem Museum) entstanden aus zusammen geleimten Holzstücken, über die ein zerknülltes Fliegengitter gespannt wurde. Darauf kamen mehrere Lagen naß gemachter Zeitungen als Landschaft, die man anschließend mit Farbe und Leim bestrich und mit darauf gestreuten/geleimten verschiedenfarbigen Sägespähnen Wege und Felder anlegte. Bäume sollten aus Zweigen aus dem Garten gemacht werden, die mit selbst angerührten Leim (aus Mehl) in Sägespähne getaucht wurden. Büsche entstanden ähnlich aus auseinander gezwirbelten Drähten. Der Fuß für die Bäume (Schilder, Masten) entstanden aus in Scheiben geschnittenen Flaschenkorken. Für die Dächer von selbst zu bauenden Häusern wurde das feinkörnige Schmirgelpapier empfohlen, mit dem die Hausfrau die Herdplatte des Kohlenherdes auf Hochglanz brachte und wie Teerpappe aussah. In Vaters altem Taschenkalender waren die damals gültigen Verkehrszeichen abgedruckt. Die wurden ausgeschnitten und an Streichhölzer geklebt. Der Maßstab interssierte weniger.
Wichtig für eine Anlage der mittleren 1950er-Jahre. Zu der Zeit gab im Haushalt erst wenige Dinge, die bereits aus Kunststoff waren. Folglich sollte man mit Teilen aus Plastik auf der Anlage sparsam sein. Vorherrschend waren Metall, Holz und Pappe. Ein Blick in den Märklin- oder Faller-Katalog zeigt, ab wann aus Kunststoff gefertigte Anlageteile auftauchen.
Noch etwa. Vieles, was wir heute als selbstverständlich ansehen, gab es einfach nicht und hat auf so einer alten Anlage wenig zu suchen. Außer der großen durch mein Dorf führenden Bundesstraße gab es keine befestigten Straßen. Keine Makierungen auf der Straße, keine Zebrastreifen, keine Leitpfosten (aber weiß bemalte Bäume) . Die anderen Straßen waren nur einfache Sandwege ohne Bürgersteig, ohne Kanaldeckel, ohne Beleuchtung. Gelegentlich gab es mal eine Straßenlaterne. Das Buswartehäuschen war noch nicht erfunden. Dafür hatte der Kohlenhändler mehrere Kohlenhalden und eine Kohlenwaage auf dem Hof. Der Bahnsteig an der Haltestelle wurde durch alte Schwellen von Gleis abgegrenzt und das Gelände mit Split auf die richtige Höhe gebracht. Telefonzellen gab in dieser ländlichen Idylle auch nicht. Man kannte jemand in der Nachbarschaft, der eines der wenige Telefone besaß. Der elektrische Strom kam noch durch die Luft. Die Masten für die Freileitung entstanden aus Mutters Rouladen-Stäbchen. Der brennbare Müll wurde noch im Küchenherd verbrannt, eisenhaltiger Schott holte ein Lumpensammler, minerischer Abfall wurde zur Befestigung der Feldwge benutzt. Da lagen dann schon mal kaputte Dachziegel auf den Wegen. Was dann noch als Müll übrig blieb, wurde im nahen Wald vergraben.
So das soll reichen. Mir den Beispielen, was es gab oder nicht gab, möchte ich anregen, daß man sich bei so einer Nostalgieanlage überlegt: Gab es das noch oder gab es das schon. Viele Grüße Georg