Peter,
Als die elektrischen Spielzeugeisenbahnen nach 1900 aufkamen, weil man inzwischen so kleine Motore bauen konnte, benötigte man auch eine Stromquelle.
Ungefährlich im elektrischen Sinn waren die Bahnen für 4 Volt Schwachstrom. Aber dafür benötigte man eine entsprechende Stromquelle, einen Akkumulator, der wegen seiner darin befindlichen Batteriesäure auch nicht ganz ungefährlich war. Heutige Trockenbatterien gab es noch nicht. Für den Betrieb der frühen Motore mit vergleichsweise hohem Stromverbrauch mußte man den Akkumulator dann oft aufladen lassen. Dazu kam, daß es zwar schon Permanentmagnete für Motoren gab, die aber nach kurzer Zeit ihren Magnetismus verloren.(das Problem wurde erst gegen 1938 gelöst).
Um 1905 war man sich einer benachbarten Kleinstadt nicht bewußt, daß die Zukunft in der Elektrizität lag. Man errichtete ein Gaswerk, um die Stadt mit Gasbeleuchtung versehen zu können. Auch der elektrische Strom wurde in Haushalten zunächst nur für Beleuchtungszwecke verwendet. Wenn es elektrischen Strom gab, so wurde er in der Nähe von einem Wasserkraftwerk oder einer Dampfmaschine erzeugt. Im meiner Gegend erfolgte die Umstellung auf Wechselstrom in den späten 1920er Jahren.
Das Betreiben einer Modellbahn an einem Wechselstromnetz stellt kein Problem dar. Aber an mit Gleichstrom läßt sich kein Transformator betreiben.
Deshalb gab es für den Betrieb am Gleichstromnetz Reguliergeräte, in deren Innern sich an Porzellansockeln montierte, frei in der Luft schwebenden Widerstandsspiralen befanden. So ähnlich wie man es von alten Straßenbahnen kennt, wo sich die Widerstände auf dem Dach befanden und für flimmernde Luft sorgten. Im Reguliergerät wurden die Widerstände teilweise durch eine Kohlefadenlampe ersetzt.
Da die elektrische Lokomotive auf der Anlage entgleisen und dabei einen Kurzschluß verursachen kann, müssen die Widerstande bzw. der Lampenwiderstand im Reguliergerät so dimensioniert sein, daß sie dann allein die Netzspannung und den entstehenden Stromfluß beherrschen können. Bei einem Kurzschluß auf der Anlage und höchster eingestellter Fahrstufe fließt der ganze Strom nur durch die Kohlefadenlampe, die dann natürlich hell aufleuchtet. Bei Normalbetrieb liefert sie dagegen nur einen trüben Schein.
Waren die Stromnetze anfangs noch nicht geerdet, so ging man in den 1920er Jahren dazu über das Netz zu erden. Wichtig war nun, daß man die Außenschienen der Anlage mit dem geerdeten Pol der Wandsteckdose, also den Pol einer Steckdose, wo der Stromprüfer NICHT aufleuchtet, verbindet. Wenn behalf sich damit, daß man die Stifte der Stecker der Anschlußkabel unterschiedlich dick machte, dann konnte man den Anschluß auch nicht verkehrt machen.
Vom Pol der Wandsteckdose, an dem der Stromprüfer aufleuchtet, führt ein Draht direkt zu der Kohlefadenlampe im dem "Zwischengerät" (wie man es damals nannte). Nachdem der Strom die Kohlefadenlampe durchflossen hat, fließt er durch eine Anzahl schaltbarer Widerstände, mit denen die Geschwindigkeit der Lok (meist in 5 Stufen) geregelt werden kann. Von da geht es dann zur Mittelschiene der Anlage.
Die Lok selbst war für 40 Volt konstruiert, so daß in einem 110 Volt–Netz 70 Volt in der Kohlefadenlampe in Licht (und Wärme) umgewandelt wurde. Wegen eines möglichen Kurzschlusses auf der Anlage war die Kohlefadenlampe so dimensioniert, daß sie auch die volle Netzspannung von 110 Volt vertragen konnte.
Bei Einschalten der ersten Fahrstufe am Fahrgerät beginnt die Kohlefadenlampe schwach aufzuleuchten und im Innern der Lok bewegt sich ein bewegliches Motorjoch und betätigt dabei eine Wippe, wie man von den Märklin H0 Fahrtrichtungsschaltern kennt. Jedes völlige Ausschalten der Fahrspannung führt zu einem Schaltvorgang. Bei verschmutzten Schienen können kurze Aussetzer in der Stromversorgung dazu führen, daß die Lok plötzlich in die entgegengesetzte Richtung fährt. Trix–Wechselstrom-Fahrer können ein Lied davon singen, denn da funktioniert es im Prinzip genauso. Mit einem aus dem Führerhaus herausragenden Hebel konnte man die Umschaltung festlegen. Dann ging es immer nur in eine Richtung.
Nun zur Gefährlichkeit des Betriebes.
Wenn man den Anschluß ans häusliche Stromnetz genau wie vorgeschrieben vorgenommen hat und vor dem Verbinden des Fahrtreglers mit dem Netzstrom denselben auf "Null" gestellt hat, liegt keine gefährliche Spannung am Gleis an. Die Kohlefadenlampe leuchtet nicht, da es keinen geschlossenen Stromkreis gibt.
Wenn man anschließend eine Lok auf das Gleis setzt und [size=18]DANACH[/size] den Regler bedient, liegt am Mittelleiter des Gleises eine Spannung an, die zwischen 0 Volt (Regelgerät = aus) und 40 Volt (dann sind im Regelgerät alle Vorwiderstände ausgeschaltet, bis auf die Kohlefadenlampe, die die 70 Volt aufnimmt). - Die Kohlefadenlampe leuchtet in Abhängigkeit der gewählten Fahrstufe unterschiedlich hell.
40 Volt sind für nach heutigen Vorschriften zu hoch, es sind nur noch 24 Volt zugelassen. Damals sah man da noch nicht so eng.
Bis dahin gehen von dem Starkstrombetrieb noch keine wirklichen Gefahren aus. Aber was passiert, wenn die Lok während der Fahrt entgleist?
Untersuchen wir, was passiert, wenn bei einer Entgleisung die Lok oder ein Wagen gerade so zu stehen / liegen kommt, daß durch die Fahrzeuge Außenschiene und Mittelleiter des Gleises direkt verbunden sind, also einen "Kurzschluß" verursachen. Mit der Entgleisung, die wir ums mal bei Höchstgeschwindigkeit der Lok vorstellen, fließt plötzlich der gesamte Strom durch die Kohlefadenlampe, die nun die vollen 110 Volt aus dem Netz verkraften muß und hell aufleuchtet.
Wenn man vor dem Berühren / Aufgleisen der entgleisten Lok den Fahrregler auf "Null" stellt, droht immer noch keine Gefahr.
Aber jetzt kommt das Problem. Vergißt man nicht zu leicht im Eifer des Spiels VORHER den Fahrtregler auf "Null" zu stellen?
Und was ist, wenn Lok und Wagen bei der Entgleisung im hohen Bogen das Gleis verlassen hat, also keinen Kurzschluß verursachen? Da der Stromkreis unterbrochen ist, leuchtet die Kohlefadenlampe nun nicht warnend hell auf. SOLANGE der Regler nicht auf "Null" gedreht wird, liegt die volle Netzspannung von 110 Volt auf den Mittelleiter.
Mit anderen Worten:
GERFAHR DROHT, WENN KEINE LOK ORDNUGSGEMÄSS AUF DEM GLEIS STEHT, DER FAHRTREGLER ABER NICHT AUF "NULL" STEHT. Und dann bekommt man beim Berühren des Mittelleiters mit voller Netzspannung einen "gewischt". Wenn man vor Eifer (schweiß-)nasse Hände hat, wird es besonders schlimm.
Solange eine Lok ordnungsgemäß seine Runden dreht, liegen bei richtigem Anschluß maximal 40 Volt am Gleis. Für unsere, heutigen Vorstellungen ist das zu hoch (24 Volt sind nur zugelassen), aber damals dachte man da anders.
Das Verbot wurde 1928 ohne detaillierte Begründung erlassen. Wir können heute nur vermuten, warum das so plötzlich verboten wurde. Aber die Gefahr, daß man im Eifer des Spiels dieses Ausschalten des Regelgerätes, besonders nach einer Entgleisung, zu leicht vergißt, dürfte zumindest ein Hauptgrund gewesen sein. Sicher wird es noch weitere Gründe gegeben haben.
Viele Grüße Georg