Servus Thomas,
bin selbst JG 1957 und mein Vater ( war JG 1915) ein begnadeter Radiobastler und Funkamateur.
"Nach dem Krieg" hieß für viele Leute, die ein Hobby betrieben, einmal rein aus wirschaftlicher Sicht, sparen und verwerten von dem was da und übrig war.
Diese Zeit der Selbstbauer zog sich IMHO bis in die späten 1960-er Jahre. Gekaufte Modellbahn , vor allem die elektrische, war auch in den 1930-ern ein Luxus, den sich nur eine begüterte Schicht Leisten konnte und wollte.
Vater bekam damals eine Märklin Spur "0" mit 3 Wagen, dafür aber einen Haufen Schienen. Ziel war das Bauen und Fahren (Über Teppichgebirge, Großvaters Konversationslexikon mußte als Brückenpfeiler herhalten etc.). Und wenn der Bub schlafen ging, dann ratterte das Ding natürlich auch noch bei meinem Großvater weiter.....
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Meine Erste Märklingarnitur bekam ich zu meinem 6. Geburtstag, war gebraucht und tlw. von Vater instand gesetzt. TM 800 für mich und Schienenbus für meinen Bruder. Weitere Teile dieser von einem Kollegen gekauften Bahn gab es dann nach und nach verteilt über mehrere Jahre.
Das Radiohobby meines Vaters baute auf alten Wehrmachtsgeräten und Selbstbau aus unzähligen zusammengetragenen und rege zusammengetauschetn Teilen auf.
Auch im Eisenbahnhobby gab es da eine sehr interessante Bastlerszene, Scheineneigenbau in Spur "00" etc.
Gab da durchaus "Schnittmengen" mit Schrebergärtnern etc. (kannte einige Schrebergarten bahnen, die nur deswegen dort waren, weil in den kleinen Wohnungen kein Platz war), alles Selbstbau nix LGB.
Man nahm was kam und improvisierte und eines sieht man ja auch dieser Lok hier an: Die Bastler hatten was den Umgang mit Material betrifft durchaus was drauf, und wenn nicht dann kannte man jemanden "der es konnte".
Nehme an, dass dieser Ansatz im Osten, nicht nur in der DDR sondern auch in der Tschechoslovakei etc. noch lange so galt.
Viele Betriebe aus dieser Zeit begannen ja auch auf basis der "Reste", Liliput, Kleinbahn, Sperl um nur ein paar Österreicher zu nennen, Zeuke, Mignion, usw. die aus den Trümmern kamen und tlw. mit dem Aufkommen der industriellen Kaufware wieder verschwanden.
Eine sehr interessante Zeitung aus dieser Zeit, lange vor den Hobby heften, war die Monatszeitung "Der Praktiker", heute kaum noch zu finden, aber da drinnen waren all die schönen Hobbies meiner Jugend versammelt: Fesselflug (wer hatte schon Geld für Fernsteuerungen?), Modelleisenbahn, Puppenhaus, Angeln, Radiobasteln, "Slot Racing", Camping, Gartenbau, Motorentechnik usw.usw. etc.
Verschwand alles mit dem "Wirtschaftswunder", in Österreich später als in der BRD und im Osten denke ich ist bis heute noch der eine oder andere Ansatz übrig. Was heute bewunderte Restaurierer noch können, machten tlw unsere Väter und Großväter im Keller oder in der Gartenhütte.
... oder in der Küche, wo z.B. mein Vater sein Angelblei in selbstgebauten Gipsformen goß, Fliegen band oder im Bad auf dem Waschmaschinendeskel einen Opel Olympia Zylinderkopf plante oder das Bad Wochenlang als Dunkelkammer fürd die SW Bilder herhielt.
Soweit ein bisschen Zeitgeschichte.
LG
Fritz