Hallo Frank,
vielen Dank für diese wirklich sehr interessante Information über die Entwicklung von TT bei RÖWA (ich spreche bewusst nicht mehr von ROKAL).
Mir war dieser Text bisher nicht bekannt, aber er stützt meine eigene Theorie, was RÖWA mit TT beabsichtigte - oder besser gesagt nicht mehr beabsichtigte.
Kurz ein Rückblick in ein paar Sätzen:
Am 1. Mai 1971 verkaufte die ROKAL GmbH die Modellbahn-Sparte an RÖWA. Verkaufen ist eigentlich falsch - besser wäre - ROKAL kaufte sich bei RÖWA ein. Anscheinend wollte man das Bähnchen doch nicht so einfach sterben lassen. RÖWA übernahm alle Werkzeuge und Formen und erhielt eine ansehnliche Anschubfinanzierung von knapp über eine Mio DM (heute ca 4-5 Mio Euro). ROKAL erhielt im Gegenzug 2/3 der Anteile an RÖWA bei 50% Stimmrecht.
Was folgte waren 2 Neuheiten-Flyer und ein 1972-73 Katalog mit H0+TT. Viel tat sich aber nicht. Ein paar Gleise, ein Tragwagen, das wars. Dafür Vertrösten der Kunden mit Versprechungen. Fakt war: alte ROKAL-Modelle - Fehlanzeige - neue Modelle - Fehlanzeige.
Stattdessen "explodierte" bei RÖWA die Spur-N. Ab 1973 stand ein erstaunlich umfangreiches Sortiment bereit und mit dem 1973-74 Katalog war TT aus dem Sortiment verschwunden.
Meine Theorie (und das soll jetzt bitte nicht als RÖWA-Bashing gesehen werden) geht dahin, dass RÖWA niemals beabsichtigte, noch groß in TT zu investieren. Anfangs noch ein paar Alibi-Modelle, damit der Geldgeber beruhigt ist, parallel aber mithilfe der Finanzspritze der Aufbau der Spur-N, die zu diesem Zeitpunkt klar auf der Überholspur war.
Gestützt wird diese Idee davon, dass man bei RÖWA zwar die Werkzeuge und Formen übernommen hatte, sich jedoch nie für die dafür notwendigen Unterlagen interessiert hat. Die Formteile waren einzeln in Kisten gelagert und mit einem Nummercode gekennzeichnet. Nur anhand von Listen war es möglich, eine Form anhand der Codes zusammenzustellen. Und diese Listen verblieben beim Zulieferer von ROKAL im Sauerland. Somit hatte RÖWA zwar die Formen, konnte aber gar keine Modelle mehr herstellen - und wollte es wohl auch nicht mehr.
Bei ROCO hat sich dann jemand Jahre später die Mühe gemacht, für den kleinen Tieflader-Transformator die Teile für die Gussform herauszusuchen. Dies war dann auch das letzte ROKAL-Modell aus industrieller Produktion.
Und nun komme ich zum Text aus dem RÖWA-Report:
Also so etwas geht ja gar nicht. Ich stelle mir vor, ein Hersteller würde heute - für welches Produkt auch immer - so etwas auf seiner Internet-Seite veröffentlichen. Wenn ich auch noch meinen letzten Kunden verprellen will, dann setze ich so ein Schreiben auf. Ich bin mir sicher, dass damit der Zweck erreicht wurde. Nach dieser 'Watschn' wird sich kein ROKALer mehr an RÖWA gewandt haben, um sich dort nach neuen Modellen, Ersatzteilen oder Reparaturen zu erkundigen. Und die 'Materialschwierigkeiten' können als ein Wink mit dem Zaunpfahl auf den anstehenden Abverkauf gesehen werden.
So - kurz wieder innehalten - es soll hier ja keine Abrechnung mit RÖWA werden. Steht mir nicht zu, will ich auch nicht. Aber ich möchte versuchen, die Zusammenhänge darzustellen.
Das Ganze hätte durchaus in einer Win-Win-Situation für RÖWA und ROKAL enden können. H0 und N waren erfolgreich und das 'tote Pferd' TT beerdigt. RÖWA verkaufte sich gut und ROKAL hätte als Anteilseigener einen Gewinn gemacht. Alles gut.
Und dann kam der ominöse 'schwarze Altweiber-Donnertag' 1974. Die ROKAL GmbH - damals einer der größten Automobilzulieferer Europas - meldete Konkurs an und in diesen Sog wurde auch RÖWA aufgrund der Beteiligungen hineingezogen. Die angelaufenen Verbindlichkeiten in Höhe von 1.5 Mio konnte RÖWA bzw. Herr Ade als Inhaber nicht aufbringen, was seinerseits zum Konkurs und zur Übernahme durch ROCO führte.
Fazit:
RÖWA - also Herr Ade - hat mit der Übernahme von ROKAL möglicherweise schon die Idee zur Wiederbelebung von TT gehabt, dann aber sehr schnell die Zeichen der Zeit erkannt und auf N umgesattelt. Strategisch war das also durchaus nachvollziehbar. Über die Art und Weise, wie das erfolgte, mag man nun trefflich streiten.
Unterm Strich bleibt aber, dass durch äußere Umstände ein Hersteller in die Knie gezwungen wurde, der Anfang der 1970er Jahre die Entwicklung der Modelleisenbahn hinsichtlich Qualität und Vorbildtreue der Modelle vorangetrieben hat und hier neue Maßstäbe gesetzt hat.
Es ist schön, dass immer wieder so kleine Fundstücke auftauchen, die den ROKAL-Zoo bereichern.
Vielen Dank, Frank