März 1961. In einer Nebenhalle einer Elektromaschinenfabrik in Ostbelgien soll ein altes Auto stehen. Wir könnten es haben. Ein "altes Auto" war damals in der Regel ein verfaulter DKW oder Opel P4, Autos die niemand haben wollte und niemals Klassiker werden würden... Für sowas lohnten sich die fast 100 Kilometer Fahrstrecke in der Regel nicht. Einen Horch oder einen 540K findet man schon längst nicht mehr, die sind bereits alle in der Schweiz oder den USA. Paul will trotzdem fahren. Es könnte ja einmal wirklich etwas sein. Paul spinnt, aber ich bin krankgeschrieben, habe Zeit und fahre mit.
Auf der Autobahn nach Lüttich hupen wir die Käfers weg, das macht Spass.
In der Fabrik ist der Empfang kurz und knackig, wir sollen uns nicht vom Stapler überfahren lassen, niemanden stören und ansonsten möglichst schnell mit dem Schrott verschwinden.
Angesichts dessen was wir hier vor uns haben sind wir relativ gefasst. Ein Bugatti Type 35 von 1926, ein klassischer Sportwagen den der stolze Besitzer selbst zu den Rennen fahren konnte, auf öffentlichen Straßen, bevor Lampen und Kleinkram abgeschraubt wurden und das Rennen bestritten wurde.
Während der Nachkriegszeit war der Wagen vom Firmeneigner als netter Sportwagen für seine Tochter erworben worden. Der knochige Renner fand aber wenig Gegenliebe und stand bald nur noch herum. Die Tochter bekam als Entschädigung einen nagelneuen Buick geschenkt, mit Automatik und Servolenkung und war fortan zufrieden. Und jetzt sollte die Halle entrümpelt werden...
Es gilt schnell zu Handeln, jetzt oder nie, der Eigner hat nichts von bezahlen gesagt! Keine Fragen mehr, loslegen und so schnell wie möglich verschwinden. Licht ins Dunkel:
Wir haben kein Abschleppseil, wer denkt schon an sowas. Mist! Irgendwo finden wir ein Stück Starkstromkabel. Das muß reichen und wird an die Hinterachse des Bugatti geknotet.
So: Ankuppeln, Gas - mit durchdrehenden Rädern schleifen wir den Bugatti aus seiner Ecke.
Wahnsinn!
Das Auto ist komplett, sogar Startnummern sind noch drauf!
Wir haben den Wagen über die Grenze gebracht. Ich lenkte den geschleppten Bugatti. Saukalt! Damals konnte man in Belgien noch ohne Führerschein und Fahrzeugpapiere fahren und die Grenzer waren mit wenigen Flaschen Rum zufrieden.
Auf der deutschen Seite hätten sie uns fast noch bekommen aber die Beamten waren doch zu langsam im Endeffekt. Wir waren ja eigentlich auch im Recht denn wir hätten keinesfalls anhalten können, die Bremsen des Bugatti funktionierten natürlich nach der langen Abstellzeit nicht mehr. Insofern war das auch keine Flucht sondern ein umsichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit. Nicht auszudenken was bei einem Bremsmanöver Fürchterliches hätte passieren können. Und im Käferweghupen waren wir ja trainiert, und damals fuhren die vom Zoll halt noch mit kleinen grünen Käfern herum. Tja, leider zu langsam...
Und hier isser, nach dem Abschrubben der Dreckschicht live und in Farbe:
nur gut, das der Grill so charakteristisch ist, sonst könntest du mir auch erzählen, das wäre ein Mercedes, oder ein Engländer. Ich bin da nicht gerade der Spezialist.
Auf den ersten Blick erschreckend, auf den letzten Blick Jahre später manchmal unglaublich, was daraus wurde.
was du nicht willst, das man dir tu das tu auch nicht, was willst denn du