Hallo Yuri,
hier die versprochene Beschreibung eines sehr ähnlichen, hier vollständigen Bing-Uhrwerkes:
S ist eine Schub- und Zugstange, mit der die Bremse per Hand betätigt werden kann. Bei hereingedrückter Stange ist das Uhrwerk freigegeben, bei gezogener Stange blockiert.
H1 ist der Hebel für die Richtungsumschaltung. In der gezeigten Position läuft die Lok vorwärts. Wenn der Hebel H1 etwa 2 cm nach unten gedrückt ist, läuft die Lok rückwärts. Dieser Hebel befindet sich bei Deiner Lok offenbar nicht im Führerstand sondern an der rechten Lokseite.
Die Komplettansicht der Lok von unten:
F ist die Feder mit dem Aufzugsmechanismus, wobei der Aufzugsdorn bei dieser Lok auf deren rechter Seite liegt. Bei Deiner Lok liegt dieser Dorn offenbar auf der linken Seite. Ansonsten unterscheiden sich beide Uhrwerke aber nicht weiter.
Z1 ist das erste große Zahnrad, welches sich dreht, wenn die Feder abläuft. Es ist auf meinem Bild leider etwas durch die Feder verdeckt.
B1 ist das erste Beisatzrad, dessen kleines Zahnrad etwas unscheinbar in der Tiefe liegt. Das oben beschriebene Zahnrad Z1 greift in dieses kleine Zahnrad. Das große Zahnrad von B1 treibt nun noch das kleine Zahnrad des Beisatzrades B2 an.
H1 ist wieder der bei dieser Lok aus dem Führerstand kommende Hebel für die Richtungsumschaltung. Er ist schwenkbar um die Antriebsachse mit dem Zahnrad Z3. Auf dem Hebel sind außerdem noch die Zahnräder Z2 und Z4 montiert.
Wenn der Hebel H1 im Führerstand oben steht, greift das Zahnrad Z2 in das große Zahnrad des Beisatzrades B1. Wenn er hingegen unten steht, ist Zahnrad Z2 freigegeben, während nun Zahnrad Z4 in das kleine Zahnrad von Beisatzrad B2 greift. Die Lok läuft damit jetzt rückwärts. An dieser Stelle funktioniert das Beisatzrad B2
nicht zur Getriebeübersetzung zum Schnellen.
Zuletzt ein Ausschnitt des Uhrwerkes, um auch den Fliehkraftregler erkennen zu können:
B1, H1, Z2, Z3, Z4 und B2 sind wieder die gleichen Bezeichnungen, wie im vorherigen Bild, wobei auf dem aktuellen Bild das kleine Zahnrad des Beisatzrades B2 stark von der angetriebenen Achse der Lok verdeckt wird.
Z5 ist ein zweigeteiltes Zahnrad auf der Achse des Fliehkraftreglers, angetrieben vom großen Zahnrad des Beisatzrades B2. Getrennt sind beide Anteile von Z5 durch eine im Bild rosa markierte Scheibe. Diese Scheibe dient aber nur dazu, dass sich das große Zahnrad von B2 und die unten beschriebene Sperrklinke K nicht in die Quere kommen können.
E ist ein Exzenter (wahrscheinlich aus Blei), der als Fliehkraftregelung wirkt, wenn er um seine mit Zahnrad Z5 gemeinsame Achse geschleudert wird. Diese Art der Fliehkraftregelung ist leider etwas primitiv, denn die extreme Unwucht des Exzenters dürfte einen hohen Verschleiß bewirken. Wahrscheinlich mit aus diesem Grunde fehlt bei Deiner Lok bereits das Beisatzrad B2 und der komplette Fliehkraftregler.
K ist die Sperrklinke der Bremse, welche ich auf dem Bild rot markiert habe. (Die Achse der Sperrklinke habe ich gelb markiert. Die Sperrklinke ist bei Deiner Lok noch erhalten.) Hoch oben im Kessel greift die Schub- und Zugstange S aus dem ersten Bild in die Sperrklinke und bewegt diese vor bzw. zurück. (Den Verlauf der Stange S kann man auf dem Bild überhaupt nicht erkennen. Man kann sie allerdings auch dann fast nicht erkennen, wenn man bei bester Beleuchtung mit bloßem Auge in das Uhrwerk schaut.) Die Sperrklinke K befindet sich im Bild in der freigebenden Position (Stange S gedrückt). Wenn die Stange hingegen gezogen ist, greift das rot markierte Ende der Sperrklinke in das Zahnrad Z5 und blockiert dieses.
H2 ist nun ein Hebel, der die Sperrklinke von einem speziellen Gleis aus in die Bremsposition bringen kann: Wenn Hebel H2 bei Vorwärtsfahrt um seine hellblau markierte Achse nach hinten geschlagen wird, greift die Sperrklinke K in das Zahnrad Z5 und blockiert das Uhrwerk. (Wegen der Relation der hellblauen Achse des Hebels H2 zu der gelben Achse der Sperrklinke K bewegen sich H2 und die Sperre in die gleiche Richtung.) Die vom Gleis ausgelöste Bremsung kann natürlich nur bei Vorwärtsfahrt funktionieren! Das Eingreifen der Sperrklinke in das Zahnrad Z5 ist bei voller Fahrt leider sehr ruppig, was neben dem unwuchtigen Fliehkraftregler leider zu hohem Verschleiß führt.
Viele Grüße
Thomas
Anmerkung zu einer nachträglichen Änderung:
Der letzte Satz unter dem 2. Bild lautete: "Nur weil das Zahnrad Z4 etwas größer ist als Z2, läuft die Lok rückwärts langsamer als vorwärts, und zwar genau im Zahnzahl-Verhältnis von Z2 zu Z4!" Das ist jedoch kompletter Unsinn, weil Z2 bzw. Z4 ebenfalls nur als Zwischenzahnräder genutzt werden und damit
keinen Einfluss auf die Drehzahl der Antriebsachse haben. Die Lok läuft damit also doch vorwärts wie rückwärts gleich schnell!