Hallo alle miteinander,
zum Thema "Artillerie" kann ich - aus eigener Erfahrung - evtl. etwas beisteuern:
Ich wurde am 5.4.1988 (exakt an meinem 20. Geburtstag - das war der Dienstag nach Ostern) zur Bundeswehr eingezogen. Nach der grünen Grundausbildung (die muss jeder durchlaufen) erfolgte meine Spezialausbildung zum Richtkreiskanonier (zur Einmessung der Feuerstellung) sowie (als "Zweitberuf") zum Geschäftszimmersoldaten. Dies deshalb, weil ich gelernter Kaufmann bin und deshalb Bürotätigkeiten (Schreibmaschine u. dgl.) für mich kein Problem darstellten und ich darüber hinaus über eine leserliche Handschrift verfügte (und noch immer verfüge).
Ein Werferzug (ich war bei der Raketenartillerie in Hemau/ Opf. stationiert) bestand aus folgenden Teilen: FeRa (Feuerleitradar), 4 Geschütze RakW 110 SF (Raketenwerfer Kaliber 110mm, Selbstfahrlafette - das war ein MAN 7,5to mil gl = militärisch, geländegängig), auch LARS- Werfer genannt (LARS = Leichtes Artillerie Raketen System), sowie die MunGrp (= Munitionsgruppe mit den LKW 10to mil gl, für mich der ultimative Geländewagen!).
Der gezeigte Raketenwerfer ist ein sog. MARS- Werfer (MARS = Mittleres Artillerie Raketen System). Die MARS- Werfer waren - im Gegensatz zum LARS- Werfer - ein amerikanisches Erzeugnis, wohingegen die LARS- Werfer in Deutschland von der Fa. Wegmann entwickelt wurden. Die Munition (Raketen mit folgenden Ladungen: Nebel (Rauch halt), Tränengas, Splitter, Minen (Anti- Panzer- Minen) und Radar- Ziel- Einrichtungen) kam von der Firma Diehl.
Bei einem Tag der offenen Tür unseres Bataillons wurde uns im Mai 1989 ein MARS- Werfer freundlicherweise von unseren amerikanischen Verbündeten als Ausstellungsstück zur Verfügung gestellt. Unser Feuerleit- Feldwebel meinte damals, dass, wenn diese Werfer zum Einsatz kommen, jede Batterie einige Soldaten einsparen kann, weil man dann keine Feuerstellung mehr einmessen müsse (die MARS- Werfer haben GPS) und es dann auch keine Feuerleitstand mehr vor Ort geben brauche, da man die Fahrzeuge jederzeit (wg. GPS) identifizieren und einen Feuerbefehl jederzeit vom Befehlsstand aus (der könne sich auch in einem Bunker oder in einem AWACS- Flugzeug befinden) an jeden Raketenwerfer übermitteln könne.
Ein einzelner Raketenwerfer als "Schutz" einer Rohrartillerie- Feuerstellung macht m. E. nach auch keinen Sinn: mal angenommen, ein feindlicher Schützenpanzer bricht zur Feuerstellung durch. Die Rohrartillerie braucht nur die Rohre zu senken, und den Schützenpanzer mit einer Salve aus den Geschützen (einzeln oder konzentriert) in sämtliche Bestandteile zu zerlegen!
Bei der Raketenartillerie sieht die Sache völlig anders aus:
Nach dem Bezug der Feuerstellung (vom Bereithalteplatz aus - der ist meistens hervorragend getarnt durch Bäume oder dichtes Buschwerk) und erfolgter Tarnung der Raketenwerfer durch die mitgeführten Tarnnetze (welche ich auf dem Diorama allerdings etwas vermisse...) wird vor dem Grundwerfer das FeRa aufgebaut. Dieses hat eine Radareinrichtung.
Als erstes gibt der Grundwerfer (dessen Feuerstellung vorher eingemessen und dem Feuerleit- Feldwebel im Feuerleitstand übermittelt wurde in Form von Koordinaten) einen Mess- Schuss mit einer oder (wenn Zeit und Muße ist) mit zwei Raketen ab. Nach erfolgter Abgabe des Mess- Schusses wird im FeRa (in Abklärung mit dem Feuerleitstand) ermittelt, ob der Grundwerfer (und damit die ganze Batterie) so richtig in Feindrichtung steht.
Wenn alles so zur Zufriedenheit paßt, erfolgt der Count- Down zur Feuereröffnung in Richtung Zielgebiet. Jeder Raketenwerfer hat 24 Schuß Raketen an Bord. Bei 4 Raketenwerfern pro Batterie ergibt das lässige 96 Raketen pro Salve. Bei einer solchen Feuerkraft (ich habe das bei einer dynamischen Waffenübung in Grafenwöhr live im Publikum miterlebt - nach dem Einmessen der Feuerstellung hat man als Vermesser viiiiel Zeit!) bebt die Erde! Es wird auch das Tragen des Gehörschutzes befohlen!
Das ist auch der wesentliche Unterschied zwischen Rohrartillerie und Raketenartilerie: die Rohrartillerie bekämpft Punktziele (anrückende Panzerverbände u. dgl.), während die Raketenartillerie Flächenziele bekämpft (Legen eines Minengürtels, Einhüllen angreifender Panzergrenadiere oder feindlicher Fahrzeuge in Nebel und/ oder umherfliegende Splitter).
Ich glaube (ich bin mal wieder zu weit abgeschweift), es erkennt jeder das Problem: bis ein Raketenwerfer einen Mess- Schuss auf den angreifenden Schützenpanzer abgibt, und dann (nach Auswertung der ermittelten Daten) die ganze Werferbatterie ihre Raketenwerfer auf den Schützenpanzer ausgerichtet hat, existiert die Werferstellung nicht mehr, bzw. besteht nur noch aus ausgeglühten Fahrzeugtrümmern.
Die Raketenartillerie operiert nach erfolgter Raketensalve nach der bewährten "Schlag- zu- hau-ab- Taktik": so schnell wie möglich die Feuerstellung räumen und zurück in den Bereithalteraum rücken (falls der Wald noch existiert), denn die Rauchsäulen der Raketenwerfer nach jeder Salve kann man kilometerweit sehen, und das ist für jeden Piloten eines feindlichen Jagdbombers eine schriftliche Einladung zum Tontaubenschießen! Deswegen ist bei JEDER Feuerstellung der Artillerie (wg. der Rauchentwicklung bei jedem Schuß) eine Flugabwehrstellung in unmittelbarer Nähe (einweder mit FlaPz Gepard oder FlaRakPz Roland).
Soweit mein erworbenes Fachwissen. Es ist zwar schon 30 Jahre her (ich bin mittlerweile 50 Jahre alt), aber "einmal gelernt - immer gekonnt".
Und: die Artillerie kennt weder Freund noch Feind - nur lohnende Ziele!
Viele Grüße aus Nürnberg
Stefan