eine friedliche Adventszeit wünscht das Forum alte Modellbahnen

Der Eisenbahnzug unter dem Weihnachtsbaum

#1 von kube , 22.12.2013 17:35

Hallo zusammen,

bei meinen Forschungen zur Wermelskirchen-Burger und zur Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn bin ich zufällig auf einen alten Zeitungsartikel gestoßen, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Vor allem für die Tinplate-Pyromanen unter uns ist er von großem Interesse. Die damalige Schreibweisen habe ich dem Originaltext entsprechend belassen. Aber lest selbst:

Zitat
Der Eisenbahnzug unter dem Weihnachtsbaum.
(Eine Dresdner Christkindlgeschichte.)
Die "Dresd. Nachr." erzählen: Der kleine Lix, der eigentlich Felix heißt, hatte sich schon lange einen Eisenbahnzug mit heizbarer Locomotive gewünscht, und dieser Wunsch war ihm nun erfüllt worden. Auf einem aparten großen Tische, neben dem Weihnachtsbaum, waren die Schienen gelegt, und stattlich nahm sich der Miniaturzug aus, der zum Abfahren auf denselben bereit stand: eine allerliebste kleine Locomotive, wie man sie in den Schaufenstern der meisten hiesigen Optiker ausgestellt sieht, und daran gekoppelt: ein Tender, ein Gepäckwagen, Wagons 1., 2. und 3. Klasse und eine complette Holzlowry
[!]. Der Zug sollte nun in Function gebracht und die Freude des kleinen Lix sowie von dessen Eltern, Onkel, Nichte, Schwieger- und Großmutter auf das Glanzvollste gesteigert werden. Man brachte Spiritus und Wasser, füllte beides in die Kessel der Maschine ein, entzündete die Brenner und Alles stand erwartungsvoll und harrte des freudigen Moments, wo der Zug sich in Bewegung setzen mußte. Wohl volle fünf Minuten, während das Wasser im Kessel kochte und die Dämpfe sich entwickeln mußten, starrten Alle wie hynotisirt auf den einen Punkt, auf die Locomotive, die mit jedem Augenblick mehr pustete und dampfte und in ihrer steigenden Veränderung das Aussehen einer mit Dynamit gefüllten Messingbüchse annahm. Noch immer stand der Zug unbeweglich, Todtenstille herrschte unter dem Weihnachtsbaum, die Erwartungen hatten eine förmliche elektrische Spannung angenommen. Nur die kleine niedliche Locomotive spielte jetzt in jener verdächtigen Farbe, welche Bügeleisen bei höchster Leistungsfähigkeit anzunehmen pflegen. Das Dingelchen sah nicht mehr freundlich aus, sondern bösartig und heimtückisch. Da, in dem Moment, als Aller Gedanken in friedlicher Harmonie dem Culminationspunkt der Freude und des Entzückens entgegenharrten, sauste die Locomotive und mit ihr der ganze Zug mit einer Kraft und Geschwindigkeit los, die jeder Beschreibung spotten. Wie vom Bösen besessen rast das Ganze hexensabbathartig über die Schienen, einem Courierzug gleich, der alle und jede Führung verloren, so schnell, so drohend und wirbelnd, daß die Umstehenden den Bewegungen nicht mehr zu folgen vermögen und nur noch einen mit aller Macht schwingenden Kreis erblicken, unter dessen Wirkungen ihnen Hören und Sehen vergeht. Bereits ertönen Hülferufe, und die Beherzten machen Versuche, dem verrückt gewordenen Schnellzug ein Ziel zu setzen, da - der Himmel bewahre Jeden vor ähnlichen Weihnachtsüberraschungen - entgleist der Zug und fällt auf das Parquet. Die nun entstandene Verwirrung gestaltet sich grenzenlos! Der Zug rast unten am Boden weiter, zunächst unter einen großen Fauteuil [Anm.: dt. „Lehnsessel“], dessen Posamenterie [Anm.: „Besatz“] Feuer fängt, dann unter das Sopha, wo er nur einen Augenblick weilt, um seine Direction sofort unter die übrigen Möbel zu nehmen. Niemand, selbst die Muthigsten vermögen nicht, die glühend heiße Locomotive anzufassen, zwei Personen haben sich daran schon die Finger total verbrannt, und auch das Kleid der Schwiegermutter riecht bereits brenzlich - Alles stürzt durcheinander, rathlos, hülflos! In diesem verzweifelten Moment fast ein junges Mädchen den kühnen Entschluß, der wahnsinnigen Locomotive mit einem Stuhle zu Leibe zu gehen - ein Krach ... Und das Ungethüm liegt auf der Seite - der Zug steht still, und nur eine große Flamme, die aus dem ausgelaufenen Spiritus entstanden ist und ein Loch in den Teppich brennt, zeugt noch von dem Schrecken der Situation und von verschwundener Pracht des lieblichen Spielzeugs. Als die Feuersgefahr beseitigt ist, sehen sich die Versammelten nach einander um. Die Mutter liegt leichenblaß auf einem Fauteuil hingestreckt, die Schwiedermutter befindet sich in ähnlicher Situation auf dem Sopha, Vater und Onkel wickeln die Taschentücher um die verbrannten Finger, das junge Mädchen versucht das abgeschlagene Stuhlbein dem Stuhle wieder anzupassen, das Dienstmädchen plagt sich ab, das Scheusal von einer Locomotive auf eine Kohlenschaufel zu bringen und die gräßlichen Spuren des Eisenbahnunglücks zu beseitigen. - Lix ist total verschwunden und mit ihm "Männel", der Dachshund. Beide fand man später an der Wasserleitung: Lix an allen Gliedern zitternd und an dessen Seite Männel mit eingezogenem Schweife. Keiner von beiden wollte gutwillig wieder ins Zimmer zurückkehren. Als sich der Schrecken gänzlich gelegt hatte und der strahlende Weihnachtsbaum wieder in seine Rechte getreten war, hat man allerdings herzlich über das Eisenbahnunglück gelacht.


Quelle: Historisches Zentrum Remscheid, V 0 25 20
Auszug aus dem Lenneper Kreisblatt, Nr. 155, Montag, 31. December 1894, 65. Jahrgang.

Ich hoffe, euch gefällt der Artikel - natürlich mal abgesehen von dem Ende der Lokomotive.

PS: Solltet ihr Fotos, Dokumente etc. der Wermelskirchen-Burger und zur Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn haben oder wissen, wo ich von der einschlägig bekannten Literatur abgesehen noch fündig werden kann, lasst es mich bitte per PN wissen. Danke!


Viele Grüße
Stefan


kube  
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RE: Der Eisenbahnzug unter dem Weihnachtsbaum

#2 von JensB , 23.12.2013 08:28

Eine etwas "andere" Weihnachtsgeschichte.
Danke!


Viele Grüße
Jens
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RE: Der Eisenbahnzug unter dem Weihnachtsbaum

#3 von Blech , 23.12.2013 10:14

...ganz normales Spielbahnerlebnis zu dieser Zeit!
Der Dielenboden war gelackt, das Linoleum gewachst und der Teppich drauf brannte sowieso ganz schnell...
Wir Sammler wollten das ja in den Sechzigern/Siebzigern nicht glauben -wir waren ja auch schlauer...
Und so haben Carlernst Baecker, Dieter Haas, Hans-Werner Schaefer (der Verursacher) und ich anlässlich der Von der Warth-Auktion in einem Moerser Hotel das neu versiegelte Parkett angekokelt...Ja, Echtdampf war nie Kinderspielzeug! Der Papa war aber auch nicht immer ganz so geschickt. Das waren noch Zeiten! Schönere?
Freundliche Grüße aus Hessen
Blech


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