„Es gibt sie noch, die guten Dinge“ Mit diesem Spruch wirbt ja das sympathische Edel-Gerümpel-Versandhaus manufactum für Dinge, von denen man meint, sie seien auf normalem Wege im Handel schon ausgestorben. Heute: das klassische Wohnhaus für die alte Modellbahn.
Gut und wohl, das heutige Gebäude oft weitgehend maßstäblich sind, doch was habe ich davon, wenn das Einfamilienhaus genauso lang ist wie ein Blech-D-Zug-Wagen von Märklin, Trix oder Fleischmann?
Gebrauchte Häuser sind leider oft arg verklebt, verbastelt oder zerspielt, original alte Bausätze erzielen in ebay bisweilen abstruse Preise. Und irgendwie weiß man ja auch nicht, ob man ein 50 Jahre nicht zusammengebautes Faller-Häuschen plötzlich zusammenkleben darf…
Warum also nicht neu kaufen, was vor einigen Jahrzehnten genauso erhältlich war? Hier sind drei Bausätze für eine nette kleine Siedlung, aus dem aktuellen Sortiment von Faller und Kibri. Zusammen kosten sie zwischen 25 und 30 EUR, je nachdem, wo man kauft. Ich persönlich empfehle den Fachhandel, alleine der mitleidigen Blicke wegen, wenn man das unmaßstäblichste Exemplar überhaupt zur Kasse trägt.
Faller Artikel 131 263:
http://www.faller.de/news/neuheiten_2007..._h0/Hobby_1.pdf
Kibri Artikel 8720 und 8723:
http://rire-modelle.de/neu/images/storie...alog%202008.pdf
Seite 14
Wer bestimmte Gründe für den Versand hat, wird z.B. bei Conrad fündig (Kibri ist ja bei sehr vielen Händlern ausgelistet):
http://www.conrad.de/goto.php?artikel=240820
http://www.conrad.de/goto.php?artikel=217094
http://www.conrad.de/goto.php?artikel=240821
Das Faller-Wohnhaus:
Ein zweistöckiges Gebäude mit Glasbaustein-Treppenhaus und schönem Wellplexiglas-Balkon, außerdem sehr hübscher Grundplatten-Gravur und pygmäenhafter Geschoßhöhe. Ideal. Vom Stil her ab den 50er Jahren einsetzbar.
Das Faller-Haus erblickte als Wohnhaus zum Bauernhof das Licht der Modellbahnwelt, verschwand irgendwann um 1980 herum aus dem Programm, um 1997 als Neuheit des Hobbyprogramms wieder aufzutauchen (Bilder aus dem 78/79er Katalog).
Ein klassischer Faller-Bausatz alter Schule, halbwegs paßgenau aus immer noch guten Formen gefertigt, eine zeitgemäße Lichtmaske (vorgestanzt mit Gardinen) mit sehr zeittypischen Topfblumen ist dabei.
Neben dem Fenster erkennt man, daß das gesamte Gebäude von mir lackiert wurde, leider nur etwas unvollständig wie’s scheint. Das Haus soll als Bestandteil einer Siedlung einen anheimelnd graustichigen Putz tragen.
Die Kibri-Häuser
Wann die Kibri-Häuser das erschienen, entzieht sich meiner Kenntnis. Im 1978er Katalog wurden sie so abgebildet, wie damals bei Kibri üblich als übermaltes Bild. Man beachte den klassischen Mercedes links im Bild:
Das Haus mit Ladengeschäft besitzt eine als Mauerwerk strukturierte Wand, an der die Schaufenster angebracht sind. Das Mehrfamilienhaus besteht aus den gleichen Wandelemente, die so gegliedert sind, daß die zurückversetzte Wand mit der Terrassentür auch links angebracht werden kann. Es ist davon auszugehen, daß diese Wandelemente auch für größere Wohnbauten aus dem damaligen Sortiment verwendet wurden.
Zusammengebaut und ebenfalls lackiert (die Wände sind in sehr hell-glänzendem Weiß gehalten) sieht das Mehrfamilienhaus dann so aus:
Witzig ist, daß auch dieses Haus ein vorspringendes Wohnzimmerfenster besitzt. Die Gardinen dafür sind nicht ganz so fein wie bei Faller, aber immer noch besser, als die Kunstwerke der naiven Malerei, die Vollmer beilegte und beilegt.
Die Paßgenauigkeit ist schlechter als bei Faller, aber mit einer Feile bekommt man das meiste hin. Schade ist, daß es bis heute keine Papiermaske, sondern nur wenig schwarzes Papier in der Schachtel gibt.
Das Haus mit Ladengeschäft besitzt einen steileren Giebel mit ausgebautem Dachgeschoß. Leider zeigt es, daß man bei Kibri offensichtlich von der Substanz lebt und gegenüber früher die Bausätze nicht mehr konsequent zu Ende denkt, wenn es der Rationalisierung dient. Weder liegt eine spezielle Schaufensterfolie für die Auslage bei, noch ist die spezifische Hauswand fürs Schaufenster enthalten. Das Element mit den Schaufenstern soll einfach auf eine normale Hauswand mit Fensterbank und Fensterhöhlen geklebt werden.
Das kann so natürlich nicht bleiben, auch wenn es dem Gebäude den authentischen Charme der 60er-Jahre Bausätze etwas raubt. Glücklicherweise ermöglichen es heutige Farbdrucker und das Bilderreservoir des Internet, selbst etwas zu gestalten. Die Motive sind der google-Bildersuche zum Stichwort „Schaufenster“ entnommen.
Also entsteht eine Vorstadt-Dependance meines städtischen Kaufhauses Mertens, wo man Haushaltswaren…
…und Mieder kaufen kann:
Das Seitenfenster zeigt, ebenso wie die Eingangstüre, eine beachtliche räumliche Tiefe des Ladens, die man bei der Außenansicht gar nicht so vermutet.
Die Siedlung:
Die drei Gebäude ergeben zusammen eine glaubwürdige Siedlung, die auf ca. 20 x 30 cm untergebracht werden kann und 5 Wohnungen sowie ein Geschäft beherbergt.
Der Henschel-Bimot schleppt Mineralöl zum Umschlagpunkt, entgegen kommt ihm ein Fiat 1800 Familiale (Eko), es wird doch nichts passiert sein?
Vor dem Haus an der Straße parkt ein Taxi. Es ist anzunehmen, daß die Familie im ersten Stock in Wechselschicht den Wagen fährt. 80.000 km im Jahr, nach 5 Jahren und 400.000 km war der erste 55-PS-Diesel am Ende. Zumindest, wenn er im Winter starten sollte.
Auf dem Platz, der durch das zurückversetzte Haus entsteht, parkt ein weiterer /8er Mercedes. Er gehört dem Inhaber des Geschäfts und erinnert fatal an das 30 Jahre alte Kibri-Katalogbild. Ebenso parkt dort ganz friedlich der Krankenwagen. Wie’s scheint, kauft der Rettungssanitäter seiner angebeteten OP-Schwester ein Geschenk. Hoffentlich aus der rechten Ladenhälfte.
Fazit:
Es hat große Freude bereitet, mit Hilfe der drei Billig-Bausätze eine Zeitreise zu den Anfängen des Plastikmodellbaus zu unternehmen. Natürlich nur mit dem richtigen Klebstoff:
Schönen Gruß
Hans-Christian