Meine erste Begegnung mit DDR-Modellbahnerzeugnissen in H0 war ungefähr im Jahr 1968, als ich das erste Mal, nicht wie bisher üblich, in einen Spielzeugladen, sondern in einem richtigen Modellbahnladen einkaufte. Ich erstand damals eine BR 91 von Hruska. Ich habe Jahre später nie wieder ein BR 91 in einem Geschaft gesehen. Sie war über Jahrzehnte aus den Modellbahnläden verschwunden. Und die Modellbahnbörse für gebrauchte Modellbahnen war noch nicht erfunden. Mit dieser Lok entdeckte ich die Langsamkeit einer echten Modellbahn, war ich bis dahin doch das Rasen von Märklin- und Trix-Fahrzeugen gewohnt. Es ist immer wieder erstaunlich, wie leise und geschmeidig die Hruska-Lok lief und wie langsam man damit fahren konnte. Davon unabhängig habe ich diese Lok eher selten eingesetzt, weil ich schnell merkte, welche Rarität ich da hatte. Auch hatte ich Zweifel an der Beschaffbarkeit von Ersatzteilen und wollte sie daher schonen. Der Händler konnte das gesamte Programm von Schreiber liefern, vorausgesetzt Schreiber wurde selbst beliefert. Da war immer nur eine Hand voll, nie alle im Katalog abgebildeten Modelle gleichzeitig lieferbar.
Leichter hatte man es da mit Wagen, für die man normalerweise keine Ersatzteile benötigt. Einheitliche Verpackungen gab es zu der Zeit nicht. Mal stand noch Schicht, mal stand schon Piko auf dem Karton, obwohl die Wagen alle aus dem gleichen Werk kamen. Meine Wahrnehmung war, vergleichsweise preiswerte, exakt detaillierte Modelle, die aber ein wenig zerbrechlich wirkten und nicht so robust wie Produkte von Märklin, Fleischmann und Trix erschienen..
Den Langsamfahreigenschaften kamen damals nur Fleischmann-Triebfahrzeuge nahe, die dafür aber leiser als die Fahrzeuge aus dem Piko-Hause waren. Wegen der eingeschränkten Beschaffungsmöglichkeit, man mußte schon in ein "echtes" Modellbahngeschäft gehen, trat bei mir eine mehrjährige Beschaffungspause ein.
Die zweite, völlig anders geartete Begegnung war Anfang der 1970er-Jahre in Warschau. Ich nutzte den Polenbesuch einer Reisegruppe zu einem Abstecher in einen Modellbahnladen. Die Mitglieder der Reisegruppe wurden in den besten Hotels vor Ort untergebracht und bestens betreut. Sogar eine Gruppe netter, junger Damen warteten abends im Restaurant geduldig auf uns, bis wir von unseren Besichtigungstouren zurück kamen. Da die Damen eh nicht für einheimische Währung arbeiten wollten, man ansonsten voll versorgt wurde, brauchte man allenfalls etwas Geld für ein paar Andenken. Vor jedem Hotel, in dem Besucher aus dem Westen untergebracht waren, lungerten den ganzen Tag Männer herum, die jeden, der aus dem Hotel kam, ansprachen, ob er eventuell Geld tauschen wollte. - Was natürlich streng verboten war. Während der offizielle Kurs bei 1 zu 7 lang, gab es auf der Straße für 1 DM 25 Zloty. Aber wohin mit dem Geld? Ich habe mangels Verständigungsmöglichkeit (keiner der Verkäufer sprach deutsch oder englisch) in dem Warschauer Modellbahnladen ohne eine Probefahrtmöglichkeit gehabt zu haben, mir 4 Triebfahrzeuge (BR 55, BR 89, E44 und E69) geschnappt und an der Kasse umgerechnet 40 DM bezahlt.
Inzwischen hatte sich aber bei den Modellbahnen im Westen doch etwas getan. Diesen Piko-Modellen merkte doch an, daß sich antriebstechnisch wenig tat. Die Fahreigenschaften waren zwar vorbildgerecht, aber mangels Haftreifen war die Zugkraft eher bescheiden. Da die Modelle so konstruiert waren, daß man bei Reparaturen ohne Lötkolben auskommen konnte, kam es schon mal zu Wackelkontakten, da der Strom von einem Kontaktfederchen zum nächsten Kontaktlättchen weiter geleitet wurde.
Und zu der schon erwähnten BR 86 kann ich auch noch ein persönliches Erlebnis anfügen. Als das Piko-Modell in die Läden kam, gab es nur das wesentlich teurere Pendant von Märklin.
Die Chance, daß man als Tourist aus dem Westen, der sich nur wenige Tage im Osten aufhält, dann in einem Modellbahnladen den Zeitpunkt erwischt, wo gerade neue Objekte der Begierde eingetroffen bzw. vorrätig sind, gleicht einem Lottotreffer. Leichter war es Ende der 1970er-Jahre mit meinem Freund die letzten Dampfloks der BR 58.30 fotografisch zu jagen. Nach der Jagd steuerten wir in Leipzigs Hauptbahnhofsnähe einen Parkplatz an. Eine Schranke hielt Trabant-Fahrer davon ab, auf den schon besetzten Parkplatz zu fahren. Als das Westauto erschien, hob sich auf wundersame Weise der Schlagbaum und es gab trotzdem einen Platzplatz, auf den die Parkplatzwächterin jederzeit ein Auge werfen konnte. Eben ein bewachter Parkplatz. Sie fing aber ein großes Lamento an, als ich die verlangte Parkgebühr in einheimischer Währung bezahlen wollte. Aber für –,50 DM dürfe ich so lange parken, wie ich wollte.
Von da gingen wir beide ins Leipzigs Modellbahnfachgeschäft. Außer ein paar Wägelchen gab es in den Auslagen nicht zu sehen. Die Verkäuferin sagte sich, daß nur Westbesucher so unbekümmert nach der letzten Piko-Neuheit, der BR 86 fragen konnten. Einmal kurz gebückt und schon stand ein Modell der BR 86 auf dem Verkaufstresen. Als wir noch beratschlagten, wer von uns beiden die Lok denn nun kaufen sollte, bückte sich die Verkäuferin ein zweites Mal und dann standen zwei Modelle auf dem Tresen. Aber die Verkäuferin wollte die Modelle nicht für einheimische Währung hergeben. Schließlich wurden wir mit einem Währungsmix handelseinig. Auch für das Modell gilt das schon oben Geschriebene. Für damalige Verhältnisse sehr gut detailliert. Angespritzte Leitungen waren an Dampflokomotiven durchaus noch üblich. Das sollte sich aber bald ändern.
Ich habe daraufhin Piko-Modelle nur noch durch einen einheimischen Mittelsmann beschaffen lassen. Das hat zwar manchmal lange gedauert. Aber ich bin zu allen Piko-Neuheiten gekommen. Dafür fuhr manches Fleischmann-Modell gen Osten.
Viele Grüße Georg