ja, so könnte man diesen Beitrag nennen. Wie Ihr schon gelesen habt soll es heute um eine Bügelfalten-110 gehen. Doch gemeint ist nicht irgendeine der 227 Lok mit diesem Lokkasten, sondern eine, die mir ganz besonders ans Herz gewachsen ist. Der Ein- oder Andere von Euch mag sich vielleicht darüber wundern, aber in den letzten 1,5 Jahren entwickelte ich zur Lok 110 320-9 eine ganz besondere Beziehung.
Am 9.8.2010 machte ich meinen ersten Eisenbahnfotoausflug, der über den örtlichen S-Bahnhof hinaus ging. Das Ziel war - Ihr könnt es Euch sicher denken - der Heimeranplatz in München - ein Ort, an dem man eigentlich keine besonders guten Fotos hinbekommt. Damals war mir das aber egal, ich war froh, einen ersten kleinen Einblick in die "bunte Welt des Schienenstrangs" zu bekommen. Neben der RAN 185 574-1, einem ICE 1 auf Drehfahrt, einem Railjet und dem sonst üblichen Einerlei hatte ich auch um 15:11 meine erste Begegnung mit dieser Lok. Meine Kamera war damals nichts berauschendes, eine kleine, günstige Handgelenkknippse vom Discounter. Auch die Loknummer kann auf dem Bild nicht festgestellt werden, nur spätere Recherche brachte eindeutig die Nummer 110 320-9 hervor. Eine Ziffernfolge, die ich wohl nie mehr vergessen werde...
Am Abend, bei der Recherche, wollte ich dann mehr über diese Lok herausfinden. Zu diesem Zeitpunkt trieben neben besagter Lok noch die Bügelfalten 110 333 und 347 ihr Unwesen südlich von München. Doch ein Blick auf die Revisionsdaten verhieß nichts Gutes: 110 347-2 hatte noch bis zum 2.10.2010 ihre Restfristen abzufahren, 110 333-2 durfte noch bis 14.1.2011 fahren und die Frist der 110 320-9 lief am 24.9.2010 ab, wobei diese nochmals um ein Jahr verlängert werden konnte. Das dies geschieht, hatte ich damals insgeheim gehofft - und es geschah auch so! Doch so oder so, viel Zeit blieb nicht mehr, um den letzten Bügelfalten in München nachzujagen. Für die nun anstehenden Sommerferien nahm ich mir vor, von jeder der 3 Loks noch mindestens ein Bild zu bekommen. Doch daraus wurde nichts, am 11.8. und 18.8 war wieder "nur" 110 320-9 am Zug. 110 347-2 wurde bereits am 15.8.2010 vorzeitig abgestellt, warum, das weiß ich heute nicht mehr. Vor gut einem Jahr fand sie schließlich auf einem ganz bestimmten Anschlussgleis in Opladen ihren Weg in den Lokhimmel. Ihre Schwester 110 333-9 fuhr bis zum letzten Tage umher und folgte ihr am 8.4.2011, von ihr hatte ich bis dahin nur ein Bild - völlig verwackelt, schief und unscharf. Aber wenigstens hatte ich sie! Somit war 110 320-9, deren Frist mitlerweile bis zum 25.9.2011 verlängert wurde, der "letzte Mohikaner" in München, sieht man mal von den 115 und gelegentlichen Sonderzugeinsätzen anderer 110 ab. Meine nächste Begegnung mit ihr hatte ich am 11.10.2010, als ich mich in Grafing etwas umsah. Das Bild ist ebenfalls nichts Besonderes, aber schon mit etwas besserer Kamera und letztlich war ich froh über das "Objekt der Begierde":
Am 1.3.2011 sah ich 110 320-9 zum nächsten Mal, diesmal eher zufällig in Zorneding. Das Wetter war, im wahresten Sinne des Wortes, berauschend, mit etwas Glück bekam man einigermaßen verwacklungsfreie Bilder dank des Bildstabilisators hin. Doch, wie es der Zufall so will, versagte genau in diesem Moment der Akku. Entstanden ist also damals kein Bild, sondern nur ein lautstarker Fluch und die Erinnerung. In Gedanken sehe ich jetzt noch, wie die frischen Radreifen aus dem Nebel hervorblitzten. Ein Blick auf die Nummer bestätigte, es ist 110 320-9
Und so kam es, dass erst am 21.4.2011 mein nächstes Bild von dieser Lok entstand. An jenem Tage ging meine große "5-Tage-Oster-Fototour" zu Ende, als krönender Abschluss war die 110 320-9 vorgesehen. Und der Plan ging auf, ich sah sie aus der S-Bahn aufgerüstet im Gleisvorfeld stehen. Zuvor wurde noch die Olympia-111 mitgenommen, doch dann ging es ohne zu zögern zum Abfahrtsbahnsteig. Und da steht sie, am bekannten "Gleis 11" in München, und wartet auf ihre Fahgäste:
Spontan entschloss ich mich, in den recht leeren Zug einzusteigen und eine kleine Runde über den Südring mit der Lok zu drehen. Vom Übersetzfenster konnte man gut das Treiben am Bahnsteig beobachten. Nebenan lief eine "Werbetafel" rauf und runter, die echten Fans schauen natürlich nur auf die Lok, die sich darin spiegelt...
Nun war es nicht mehr lange bis zur Abfahrt unseres Zuges. Die heutige Leistung der 110 war der 79077 um 15:54 nach Kufstein, eine Nummer, die sich auch für immer in mein Gehirn einbrannte. Einen eigenen Umlauf hatte die 110 mitlerweile nichtmehr, aber irgendwo musste sie ja vertan werden, also mischte sie in den 111er-Plänen mit. Mangels KWS (konventionelle Wendezugsteuerung, mit der einige Bügelfalten nachgerüstet wurden) wurde sie nur für die Leistungen ohne Steuerwagen eingeteilt, der 79077 war so Einer. Die Anzeigetafel verrät dieses Detail jedoch nicht. In der Aufregung konnte ich die Kamera einfach nicht stillhalten:
Endlich geht es los! Der "Schaffner" pfeift, ein lautes Rumßen vermeldet, dass die Türen geschlossen sind, und die Zuglok klappter los. Sie ist nämlich eine der Loks, die noch mit dem sog. "Klapperschaltwerk" ausgerüstet wurden und beim Anfahren ein wenig an die E41 erinnerten. Nach der Ausfahrt aus der Halle legt die Lok richtig los, ein paar Abteile vor mir ist ein weiterer Eisenbahnfreund ebenfalls begeistert vom Sound dieser Lok. Im Hintergrund zu sehen ist die Hackerbrücke:
Doch so schnell, wie die Fahrt begann, so schnell endete sie auch schon wieder, schließlich erlaubte es die Zeit beim besten Willen nicht, weiter Richtung Süden zu fahren, sodass am Ostbahnhof "Zwangsausstieg" war. Ich nahm mir vor, das Reststück noch nachzuholen, doch daraus wurde leider nichts mehr. Am Bahnsteig entstand nur noch ein schnödes Bahnhofs-Gegenlichtbild, aber für mich ist es trotzdem etwas Besonderes:
Der Lokführer hatte noch ein paar freundliche Worte für mich und machte sich mit seiner Bügelfalte wieder auf in den Süden - wie gerne wäre ich mitgefahren!
Im Juli 2011 war die Welt um 110 320-9 noch in Ordnung, sie brachte stets zuverlässig ihren 79077 nach Kufstein. Und das mit nur 3 Fahrmotoren, der vierte war nämlich schon vor einer ganzen Weile aufgrund eines Defektes stillgelegt worden. Am 8. Juli fuhr ich auf gut Glück an die Hackerbrücke, und ja, die Lok hing wieder an "ihrem" Zug. Der Lokführer lässt sich etwas den Fahrtwind um die Nase wehen, und kein Mensch denkt an den nahenden Fristablauf.
Eine Woche später musste ich in ein Schullandheim nahe Traunstein fahren. Meine Mutter hatte mir versprochen, einmal auf dem Hauptbahnhof ein paar Fotos zu machen. Gut, dachte ich, besser als garnichts. Als sie mir aber abends sagte, sie hätte "eine rote 110" gesehen, war ich sehr glücklich. Am Freitagmittag musste ich mir die Bilder natürlich sofort anschauen, und ja, es war 110 320-9, die sie da erwischt hatte. So etwas bleibt unvergessen...
Doch das magische Datum rückte immer näher und man konnte nichts dagegen tun. Also versuchte ich, ein Jahr nach meiner ersten Begegnung mit 110 320-9, dieses Foto zu wiederholen, doch ausgerechnet heute hing nur eine 111 am Zug. Pech gehabt, also ging es am nächsten Tag gleich nochmal raus, und siehe da - es klappte!
Kurz nach dieser Aufnahme entschwanden wir für unseren Sommerurlaub nach Österreich, und als wir zurück kamen, stand der Fristablauf schon fast vor der Tür. An eigentlich jedem möglichen Tag versuchte ich die Lok zu erwischen, doch das sollte nichts mehr werden. Am 23.9. fuhr ich noch einmal zum Giesinger Einschnitt im Münchener Stadtgebiet, doch heute war auch nur 111 041 vorne dran. Eingentlich hätte man bis zum nächsten Zug (an dem die Lok dann auch wirklich zum allerletzten Male hing...) warten müssen, doch das schlechte Licht und eine quengelnde Schwester machten dieses Vorhaben unrealistisch. Manchmal ärgere ich mich jetzt noch dafür.
Das war´s, die Lok lag in den letzten Zügen und fuhr am morgen des Folgetages zum letzten Mal gen Heimat. Weil ich bei der Abschiedsrunde leider selbst nicht dabei sein konnte, möchte ich an dieser Stelle auf ein YouTube-Video verlinken. Letzte Fahrt der 110 in München Unter uns, mir kamen bei diesem Anblick die Tränen...
Inzwischen gab es Gerüchte, dass die Lok nochmals eine IS930 erhalten sollte, das wäre eine Fristverlängerung um 15000 km. Doch als die Lok wenige Tage später in den Bereich des Güterbahnhofs Laim rangiert wurde, schwand meine Hoffnung allmählich. Am 14. Oktober versuchte ich ein Bild aus der fahrenden S-Bahn zu machen. Es ist genau 15:58, um diese Uhrzeit hatte ich oft am "Platz" auf sie gewartet...
An meinem 15. Geburtstag wurde die Lok wieder ausgemottet und ins BW München gebracht. Paralell dazu entstand ein Gerücht, dass die Lok zum BEM Nördlingen kommen sollte. Den Jahreswechsel verbrachte sie dann aber doch noch in der heimatlichen Dienststelle. Am 5. Januar wurde sie jedoch aus dem BW nach München Süd gezogen. Von dort ging es leider nicht zum BEM, denn ein Leihvertrag kam nicht zustande. DB Regio hat mit 110 239, 281 und 300 bereits 3 Loks an private Vereine abgegeben. Da erscheint es absolut logisch, dass eine vierte Leigabe unmöglich ist. Jedenfalls wurde die Lok in einem Güterzug nach Köln-Kalk überführt. Vor vier Tagen wurde die Lok dann nach Opladen gebracht und ab hier geht alles sehr schnell. Einen Tag später fand sie sich, eingerahmt von 110 404 und 396, auf dem Anschlussgleis der Fa. Bender wieder. Am 25. Januar wurde die erste von ihnen in den Arbeitsbereich vorgezogen, 110 320 folgte gestern. Zur Zeit stehen noch einige 143 aus Düsseldorf und Dresden an, dann ist auch für unsere Lok die Zeit gekommen. Am Ende des Anschlussgleises wird sie schließlich entweiht, zerstückelt und entsorgt werden. Zuvor werden noch die Lüftergitter ausgebaut und die Betriebsstoffe abgelassen. Schließlich wird sie vom Greifer am Puffer oder einer anderen günstigen Stelle gepackt und die letzten Meter ihres kilometerreichen Loklebens einfach nur noch gezerrt werden. Von der 110 320-9 blieb auser einigen Fotos, dem Lokführer und einem Häufchen Dreck nichts übrig.
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Vielleicht hat ja dem Ein- oder Anderen der Bericht gefallen. Über Rückmeldungen würde ich mich natürlich wie immer freuen.
Viele Grüße,
Oli